Pali-Tücher Modisch inspiriert von Arafat

Von Susanne Haase
In den Achtzigern war es das Symbol friedensbewegter Studenten, in den Neunzigern entdeckten Neonazis das Arafat-Tuch. Jetzt erobert die Kufiya in der Kaschmirversion betuchte Fashion-Junkies.

Vor ein paar Tagen betrachtete eine Kundin im Laden von Lala Berlin verträumt ein Kaschmir-Tuch, das mit dem Muster des so genannten Arafat-Schals verziert war: "Ich muss unbedingt eins haben! Das erinnert mich an die Zeit als ich 16 war", verkündete sie. Die Frau, Ende 30, trug Pelz und eine teure Handtasche und bezahlte die 310 Euro ohne mit der Wimper zu zucken. Auch auf der Berliner Modewoche war die Kufiya - so der eigentliche Name des Araber-Tuchs, das als Dauerkopfbedeckung von Jassir Arafat zum Symbol des Kampfes für die Unabhängigkeit der Palästinenser wurde - auf Tüchern, T-Shirts, Beuteln oder Buttons allgegenwärtig. Selbst C&A bot vergangenes Jahr so genannte Pali-Tücher in verschiedenen Farben an, nahm sie nach kurzer Zeit auf Anweisung der Geschäftsleitung allerdings wieder aus dem Sortiment. Man wolle auf politische, weltanschauliche oder religiöse Symbolik im Bekleidungsangebot lieber verzichten, so die offizielle Begründung.

Nicht frei von politischer Symbolik

Das Comeback des Arafat-Schals als reines Modeaccessoire ist durchaus bemerkenswert, denn das Tuch, mit dem Menschen in arabischen Ländern sich seit Jahrhunderten vor Sonne und Staub schützen, diente im Westen bislang eher als Ausdrucksmittel für subversive Überzeugungen: In den Achtzigern krönte das Pali-Tuch die Garderobe von friedensbewegten Jugendlichen, die damit Sympathie für linkes Gedankengut bekundeten, und vor einigen Jahren adaptierten es Neo-Nazis, um ihre Anti-Israel Haltung zu illustrieren.

Doch obwohl das Tuch nun offensichtlich gesellschaftsfähig geworden ist, wird der aktuelle Hype insgeheim durch die politische Bedeutung unterfüttert. "Selbst wenn es den meisten nicht bewusst ist, es steckt immer noch ein Fünkchen Rebellion drin und das macht den Schal so sexy", sagt Martin Wuttke, Trend-Scout und Berater von deutschen und internationalen Labels. Zusätzlich wird das Stück Stoff dank einer technischen Entwicklung interessant: Viele Designer arbeiten mit Zeichen wie Totenköpfen oder Pistolen, die sie am Computer zu Endlos-Ketten verfremden. Auch für diese Ornamente ist das Muster der Kufiya bestens geeignet.

Leyla Piedayesh, 36, Designerin von Lala Berlin, sagt, sie fand das Tuch, als sie es vor anderthalb Jahren am Hals von Johnny Depp entdeckte, "einfach nur cool". Später wies eine Freundin die Iranerin, die 1979 mit ihren Eltern nach Wiesbaden flüchtete, zwar auf die politische Brisanz hin, aber das blendet sie aus. Die Resonanz gibt ihr recht: "Die Leute springen darauf an, das geht gerade erst los." Folgerichtig bastelt sie schon an der Sommervariante des Bestsellers: hauchdünn und mit Fransen. Vielleicht lässt sich der nostalgische Revoluzzer-Faktor damit ja sogar noch steigern.

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