"Germany's Next Topmodel" 2018 "Ich liebe deine Kurven!" - Heidi Klums verpasste Chance

"Germany's Next Topmodel" 2018 mit Thomas Hayo, Heidi Klum und Michael Michalsky
"Germany's Next Topmodel" 2018 mit Thomas Hayo, Heidi Klum und Michael Michalsky
© ProSieben
Heidi Klum versucht, mit der Zeit zu gehen: Jetzt dürfen auch Curvy Models bei GNTM mitmachen. Doch wenn man sieht, wie ProSieben die Neuzugänge inszeniert, kann man nur sagen: so nicht!

Heidi Klum steht mit Sonnenbrille am Karibikstrand und ist begeistert. "Ich liebe deine Kurven", brüllt sie einer jungen Model-Anwärterin entgegen, die sich gerade oben ohne im Wasser wälzt. Nur: Welche Kurven? Kandidatin Pia hat geschätzte Kleidergröße 36 und wird bei "Germany's Next Topmodel" behandelt, als sei sie eine Jahrmarktsattraktion vom Mars. Sie ist eine von mehreren sogenannten Curvy Models, die dieses Jahr an der Castingshow teilnehmen dürfen. Doch was ein wichtiger Schritt in Richtung Vielfalt und positives Körperbewusstsein sein könnte, scheitert grandios an der zynischen Inszenierung von ProSieben.

"Soooo mutig" und "total selbstbewusst" finden Klum und die anderen Kandidatinnen das, wenn sich eine der Curvy Models nackt vor die Kamera stellt.  Zu dramatischer Musik, versteht sich. Ein absolutes "Vorbild" seien die Kurven-Kandidatinnen. Abgesehen davon, dass die meisten von ihnen kaum dicker sind als der Rest: So wird den minderjährigen Zuschauern zuhause sicher nicht vermittelt, dass andere Körper gleich viel wert sind.

Kurz kam die Hoffnung auf, Heidi Klum hätte etwas verstanden

Dabei hätte man denken können, Heidi Klum sei endlich aufgewacht. Pointiert, ja überraschend "woke" wie die Amerikaner sagen würden, hatte sie sich im vergangenen Jahr zum Weinstein-Skandal geäußert. "Wir wären naiv, zu denken, dass dieses Verhalten nur in Hollywood vorkommt", sagte sie damals dem Magazin "People". "Ich glaube, man findet kaum eine Frau - mich selbst eingeschlossen -, die nicht schon mal ein Erlebnis hatte, bei dem sie sich eingeschüchtert oder bedroht gefühlt hat von einem Mann, der seine Macht, Position oder seine körperliche Überlegenheit ausgenutzt hat." So viel Klartext hatte man Klum, die sonst quasi ausschließlich in Floskeln spricht, kaum zugetraut. Immerhin propagiert ihre Show, dass Frauen möglichst dünn, sexy und für alles bereit sein sollen, wenn sie es zu etwas bringen wollen. Hatte sie etwa gecheckt, dass viele junge Frauen sich auch wegen diesem Frauenbild nicht trauen, für sich einzustehen? Und es ging noch weiter.

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GNTM könnte Vorbild-Arbeit leisten

Kurz vor dem Start der neuen "Germany's Next Topmodel"-Staffel gab Heidi Klum bekannt, dass dieses Mal auch Kandidatinnen, die mehr wiegen als traditionelle Models, dabei sind. "Wir hätten vorher auch hübsche Mädchen mit tollen Kurven gehabt, aber keiner wollte sie auf dem Laufsteg sehen. Jetzt sagen die Designer: Das ist okay. Deshalb können wir da jetzt auch mitmachen", hatte Klum erkannt. Alles gute Nachrichten, sodass die Hoffnung aufkam, GNTM könnte sich im 13. Jahr tatsächlich neu erfinden und ein zeitgemäßes Bild von Frauen und der Fashionbranche entwerfen.

Die Ernüchterung kommt, wenn man donnerstags den Fernseher einschaltet. Denn da darf immer noch keine Kurven wie Plus-Size-Superstar Ashley Graham haben. Da wird immer noch gemeckert, wenn der Busen beim Gehen (!) wippt. Und trotzdem wird so getan, als leiste man gerade unglaublich komplizierte Integrationsarbeit. Dabei hätte Heidi Klum die Chance, wirkliche Vorbild-Arbeit zu leisten. Doch die hat sie verpasst.

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