Twitter-Thread Depressionen bedeuten nicht nur Trauer: Dieses Symptom wird häufig unterschätzt

Depressionen
In Europa erkrankt jeder Vierte einmal im Leben an einer Depression.
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Sehen Sie im Video: Depressionen: Wie sie entstehen und wie Sie helfen können.


In Europa erkrankt jeder Vierte ein Mal im Leben an einer Depression. Damit zählt sie zu den häufigsten Erkrankungen. Gleichzeitig unterschätzen sie viele: Eine Depression kann jeden treffen, unabhängig von Geschlecht, Alter und sozialem Status.
Entscheidend dafür, ob eine Depression auftritt, ist die genetische Veranlagung. Sie beeinflusst, ob ein Mensch dazu neigt, an einer Depression zu erkranken. Konkret ausgelöst wird sie dann oft durch negative Lebensereignisse. Manchmal ist aber kein konkreter Auslöser auszumachen.
Ein grundlegendes Verständnis für die Krankheit ist unerlässlich, um richtig helfen zu können. Das Problem: Sie ist oft schwer zu erkennen. Dieses Schaubild zeigt, wann eine Depression vorliegen kann: Wenn mindestens zwei der Symptome im inneren Kreis zutreffen, zum Beispiel „Verminderter Antrieb“ und „Depressive Stimmung“. Und zusätzlich mindestens zwei Symptome im äußeren Kreis wie „Schlafstörungen“ und „Appetitminderung“ – und das über mehr als zwei Wochen.
Die Diagnose kann aber nur ein Arzt stellen. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene so schnell wie möglich zum Arzt gehen – wie bei allen schweren Krankheiten. Der Hausarzt ist ein guter, erster Ansprechpartner. Auf sich alleine gestellt kann dieser Weg aber sehr schwer sein, denn Antriebs- und Hoffnungslosigkeit blockieren Betroffene. Hier ist Hilfe aus dem persönlichen Umfeld besonders wertvoll: Es ist wichtig, einen Termin zu vereinbaren und auf Wunsch zum Arzt mitzugehen.
Eine Depression lässt sich mit einer Psychotherapie und Medikamenten gut behandeln: Die Verhaltenstherapie ist ein häufig eingesetztes, psychotherapeutisches Verfahren. Ziel ist es, den Alltag zu strukturieren und negative Denkautomatismen zu bewältigen. Die zweite Säule der Behandlung sind Medikamente. Denn bei einer Depression geraten Botenstoffe im Gehirn aus der Balance – und das stört die Übertragung von Impulsen zwischen den Nervenzellen. Man geht davon aus, dass Antidepressiva das Gleichgewicht der Botenstoffe wiederherstellen – auch wenn die genauen Mechanismen nicht bekannt sind. Eine konsequente Behandlung verkürzt meist die leidvolle Phase und minimiert das Rückfallrisiko.
Mit professioneller Hilfe und der Begleitung aus dem privaten Umfeld kann eine depressive Episode bald abklingen.
Depressionen zu haben, bedeutet nicht nur, dass Betroffene traurig sind. Tatsächlich zeichnet sich die Erkrankung durch viele Symptome aus, die den Alltag zu einem einzigen Minenfeld machen – und dabei schwer unterschätzt werden.

Dass wir nach wie vor dringend mehr Depressionen-Aufklärung brauchen, ist bekannt. Menschen, die unter Depressionen leiden, werden gerne dazu angehalten, sich einfach zusammenzureißen oder sich "nicht so anzustellen". Während uns bei einer einfachen Erkältung zahlreiche Ärzte und Medikamente innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung stehen, kann die Suche nach dem richtigen Therapeuten und der benötigten Finanzierung für Depressionserkrankte dank eines bürokratischen Wirrwarrs zur absoluten Tortur werden. Das wäre in etwa so, als würde man einen Patienten mit gebrochenem Bein dazu zwingen, erst einmal in den nächsten Ort zum Arzt zu humpeln. Macht ja auch keiner.

Junge Frau sieht traurig aus
Mit Depressionen können sich vermeintlich kleine Aufgaben zu einem riesigen Problem entwickeln
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Auf Twitter macht nun ein Thread die Runde, der das Problem sehr anschaulich beschreibt. Userin Molly Backes schreibt: "Wenn von Depression berichtet wird, geht es immer nur um das Gefühl der Trauer, aber niemand erwähnt das eine fiese Symptom, das jeder mit Depressionen nur allzu gut kennt: die nicht zu bewältigende Aufgabe."

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Die nicht zu bewältigende Aufgabe, schreibt sie, könne alles sein: "Zur Bank gehen, ein Rezept zur Apotheke bringen, das Bett machen, E-Mails checken, eine Rechnung bezahlen." Von außen betrachtet würde das plötzliche Unvermögen, diese Aufgabe zu bewältigen, vermutlich keinen Sinn ergeben – und doch sei es sehr real.

"Depressionen sind ein Arschloch"

Ein wahrscheinlich nur gut gemeintes "Aber wenn du es einfach machen würdest, wärest du in 20 Minuten damit fertig", sei dabei wenig hilfreich: "Diese Unterhaltung findet ja schon in Dauerschleife in deinem Kopf statt. Und dazu kommt dann noch die NOCH hilfreichere zweite Stimme, die dich permanent daran erinnert, dass du ein nutzloser Verlierer bist, weil du nicht mal diese eine super leichte Sache gebacken kriegst."

Um die Dinge noch ein bisschen komplizierter zu machen, sei es natürlich auch nicht immer die gleiche Aufgabe, die man nur schwer bewerkstelligen könne – nein, nein, die würde sich immer wieder ändern. "Am einen Tag könnte es sein, dass dir ein Anruf schwer fällt. Da kannst du vielleicht eine Mail schreiben. Beim nächsten Mal geht das mit den E-Mails nicht. Und wenn du das endlich alles schaffst, kannst du auf einmal den Abwasch nicht mehr machen."

Fast 18.000 Likes hat ihr Tweet bereits gesammelt, rund 8.000 Menschen teilten ihn mit ihren Followern. Am wichtigsten sei es, rät Molly Backes zu guter Letzt, sich selbst nicht allzu sehr in die Mangel zu nehmen. "Wenn du zur Zeit mit einem oder mehreren nicht zu bewältigenden Aufgaben kämpfst, geh schonend mit dir um. Du bist nicht nutzlos, Depressionen sind ein Arschloch. Diese Aufgaben sind normalerweise so albern, dass es uns peinlich ist, um Hilfe zu bitten – aber die Menschen, die uns lieben, werden kein Problem damit haben, zu helfen."

jgs