Wer 45 Jahre arbeitet und das knapp 40 Stunden die Woche, verbringt in seinem Leben durchschnittlich über 90.000 Stunden am Arbeitsplatz. Für viele Schulabgänger ein Grund, sich genau zu überlegen, in welchen Beruf sie starten wollen. Keine einfache Entscheidung für junge Auszubildende - aber auch nicht für die Unternehmen. Denn mit den Babyboomer (1946-1964), der Generation X (1965-1980), den Millennials/Generation Y (1981-1996) und der Generation Z (1997-2012) befinden sich aktuell vier ganz unterschiedliche Generationen am Arbeitsmarkt. Aber was wollen die oft als arbeitsscheu und unengagiert verschrieenen Millennials und ihre Nachfolgegeneration?
Berufsanfänger möchten Erfüllung und Perspektive im Job, Geld und Karrierestatus spielen dagegen eine eher untergeordnete Rolle, sagt Eva-Maria Friese, Studienleiterin des neuen Azubi-Report 2019: "Wie sich auch schon während Fridays-for-Future-Demonstrationen gezeigt hat, sind junge Leute heutzutage deutlich engagierter, als viele denken." Für die Untersuchung befragte sie 16.600 Schüler, Auszubildende und Personalverantwortliche rund um die Themen Bewerbung, Beruf und Zukunft. Die Studie der Internetplattform Ausbildung.de erscheint bereits zum fünften Mal in Folge.

Frau Friese, was ist der größte Wunsch von Schülern, wenn sie sich auf die Suche nach einen Ausbildungsplatz machen?
Offenheit und Transparenz! Wie sind meine Arbeitszeiten, welche Aufgaben habe ich konkret, wie läuft der Bewerbungsprozess ab, wer ist mein Ansprechpartner, wie lange dauert das Prozedere. Die jungen Leute möchten genau und umfassend über das informiert werden, was auf sie zukommt.
Und wie weit liegen Wunsch und Unternehmens-Wirklichkeit auseinander?
Dazwischen klafft tatsächlich eine große Lücke. Das fängt schon bei den Stellenanzeigen an. Da erwarten die angehenden Azubis viel konkretere Beschreibungen, stattdessen stecken die Inserate voller inhaltsleerer und gleichlautender Floskeln, wie etwa "wir suchen motivierte und teamfähige Leute". Gute Auszubildende aber sind knapp. Die Unternehmen müssten sich viel mehr anstrengen. Einige tun das auch schon. Sie versuchen direkter und vor allem auch schneller mit den Bewerbern zu kommunizieren.

Wie lange brauchen die Firmen denn in der Regel, bis sie einem geeigneten Kandidaten eine Zusage geben können?
Gut die Hälfte der Unternehmen schafft es immerhin in weniger als drei Monaten. Aber bei dem Rest vergeht bis zu einem halben Jahr, manchmal sind es sogar ein bis zwei Jahre. So lange will heute kein Bewerber mehr warten, nachdem er sein Anschreiben abgeschickt hat.
Was sind die entscheidenden Faktoren, warum sich jemand für oder gegen ein Unternehmen entscheidet?
An erster Stelle steht die Atmosphäre im Vorstellungsgespräch. Ist das Klima angenehm, das Gespräch locker, versteht man sich? Das Bauchgefühl ist enorm wichtig. Das gilt übrigens für beide Seiten. Für 98,4 Prozent der Personaler spielt die Qualität der schriftlichen Bewerbung keine Rolle mehr, wenn das Kennenlernen sympathisch war. Dann zählt nur noch der menschliche Eindruck, die Noten sind völlig egal.
Was ärgert angehende Azubis an potentiellen Arbeitgebern?
Die jungen Leute wollen als erwachsene Persönlichkeiten wahrgenommen und nicht wie Kinder behandelt werden. Sie schätzen Autonomie und wollen sich mit ihren Ideen ins Unternehmen einbringen. Sprüche wie Lehrjahre sind keine Herrenjahre, sind die völlig falsche Ansage.
Und was ist die größte Sorge der künftigen Azubis?
Keine netten Kollegen zu haben, das bereitet den Bewerbern mehr Bauchschmerzen, als etwa die Klausuren in der Berufsschule oder ein geringes Gehalt.

Manche Firmen versuchen Bewerber mit Incentives wie einem Smartphone oder sogar einem Dienstwagen anzulocken.
Das ist natürlich schön für die Azubis, wenn sie das neueste I-Phone oder den Mini kostenlos vor die Tür gestellt bekommen, aber es bedeutet nicht, dass dieser Weg auch funktioniert. Die Azubis werden mit materiellen Anreizen nicht zufriedener. Die jungen Leute lassen sich nicht einfach kaufen.
Was zählt für sie wirklich?
Wie auch schon die Fridays-for-Future-Bewegung zeigt, der jungen Generation geht es um Sinn und Erfüllung. Da ist auch viel Idealismus mit im Spiel. Die Berufsanfänger von heute wollen hinter ihrem Arbeitgeber stehen können. Wir hatten lange Zeit so ein schlechtes Bild von den Schülern, es war viel von überzogenen Anspruchsdenken die Rede, es wurde laut geklagt, wie unpolitisch viele sind, dass sich keiner mehr für die Allgemeinheit engagiert. Stimmt alles nicht. Unsere Untersuchung zeigt das Gegenteil.