Manche nennen Erika Lusts Filme feministische Pornos. Andere bezeichnen sie als Sexfilme "mit Niveau". Fakt ist: Die Regisseurin ist die bekannteste Sexfilmemacherin für Frauen. Im Interview spricht sie über die Gefahr von Sextube-Seiten und bewussten Pornokonsum.
Filmemacherin im Interview Erika Lust macht Pornos für Frauen und sagt Big Porn den Kampf an

"Ich hatte als junge Frau das Gefühl, dass die Pornoindustrie sehr männlich ist. Ich wollte Frauen mehr ins Zentrum rücken. Ich wollte, dass Frauen die Hauptfiguren sind, dass Frauen ihr Wollen zeigen. Und gleichzeitig wollte ich zeigen wie zwei Figuren miteinander in Verbindung gehen und einen wundervollen Moment zusammen erleben. Denn das ist es, worum es für mich beim Sex geht."
Wie sehen diese Filme aus und was unterscheidet sie von anderen Pornos? Der Blick der Frau steht im Vordergrund: Männerkörper werden ebenso ausgiebig gezeigt wie Frauenkörper. Die Gefühle und Gedanken der Akteure setzt Lust ebenso cineastisch in Szene wie den Sex selbst – Authentizität steht im Mittelpunkt.
Pornografie und Feminismus kommen in den Filmen der 42-Jährigen zusammen.
Mit einem Intimitätscoach sichert Lust, die mit bürgerlichem Namen Hallqvist heißt, dass am Set die Darsteller auch menschlich miteinander harmonieren. Schon beim Bewerbungsgespräch fühlen die Mitarbeiter den angehenden Darstellern auf den Zahn. Welchen sexuellen Hintergrund haben sie? Warum wollen sie bei einem Sexfilm mitmachen? Wie reagiert ihre Familie auf den Job? Es sei elementar, sagt Lust, herauszufinden, ob sich Bewerber wirklich für den Job eignen und alles durchdacht haben.
Vor einem Dreh werden die sexuellen Vorlieben der Darsteller im Detail besprochen - dann erst entsteht das Skript. Der Produzentin ist es zudem wichtig, dass sich ihre Darsteller schon vor dem Dreh begegnen. Auch beim Shooting und danach läuft nicht immer alles nach Plan oder Skript:
„Zustimmung ist etwas, das man dem anderen beim Sex von Moment zu Moment gibt. Man unterschreibt nicht einen Vertrag und dann ist alles geklärt.
Es geht mir nicht nur darum, dass wir die Produktion so ethisch wie möglich machen. Es geht auch darum, was danach kommt. Wie vermarkten wir den Film? In welche Kategorien teilen wir die Filme ein? Das ist etwas, das mich bei Online-Pornos auf den Tube-Sites sehr traurig und wütend macht. Dort verwenden sie eine Sprache, der ich auf keiner Ebene zustimmen kann.“
Youporn, Pornhub und andere Sextube-Seiten werden von der Firma Mindgeek mit Sitz in Luxemburg geführt. Dem Unternehmen gehört die Mehrheit dieser Art von Pornoseiten im Netz. Ein Geschäft, das sich lohnt: Rund ein Viertel aller Anfragen im Netz drehen sich um Pornografie. Der Gesamtumsatz von Internet-Porno-Anbietern beläuft sich auf 12,6 Millionen Euro – am Tag.
Lust will mit ihrer Plattform xConfessions eine Alternative zum ethisch fragwürdigen Big-Porn-Markt geben. Seit 2004 betreibt sie mit ihrem Mann die kostenpflichtige Seite. Mehr als Hundert Kurzfilme sind dort zu finden. Die meisten erzählen eine Fantasie, die Nutzer zuvor schriftlich eingereicht haben. Produziert werden die Filme von der zweifachen Mutter meist selbst. Auch einigen Gastregisseurinnen bietet Lust hier eine Plattform.
„Wir brauchen mehr Verantwortungsbewusstsein. Wir brauchen Menschen, die stolz darauf sind, was sie tun. Darum geht es auch. Tube-Seiten sind anononym. Es gibt da niemanden, der sein Gesicht dafür zeigt oder ein Interview dazu gibt. Man weiß nicht, wer die Leute sind, die das machen. Wenn ich Pornos sehe, möchte ich wissen, wer den Film gemacht hat – für mich ist das eine entscheidende Frage.“