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Erika Lust Wie dreht man einen schönen Porno? Diese Star-Regisseurin verrät es

Kurz mal nachschminken: untenrum. Make-up Artist Laila pudert schnell nach, bevor der Dreh weitergeht.
Wie dreht man einen schönen Porno? Regisseurin Erika Lust ist der Star des feministischen Sexfilms und verrät uns, worauf es ankommt. Zu Besuch bei einer geschäftstüchtigen Künstlerin.
Von Daniel Sippel

Neben der Tür hängt ein Foto von zwei kopulierenden Menschen. Dahinter, im Büro von Erika Lust, sieht es aus, als hätte ich eine Musterwohnung von Manufactum betreten: ­Designsofas, Glastische, riesige Fenster. Klaviermusik klingt aus einem Nebenzimmer. Im Regal stehen Pornofilme: "Die Flötenstunde" zum Beispiel. Deutsche Hochkultur in Barcelona, wer hätte das gedacht?

Eine Sensation in der Porno-Industrie

Bevor ich die anderen Pornotitel studieren kann, kommt eine kleine, aufgedrehte Frau angelaufen. Erika Lust, 41 Jahre alt, Pornoregisseurin und eine Art Sensation in der Industrie, will mir zu­erst ihren Mann vorstellen: Er ist CEO ihrer Firma und Vater ihrer Kinder. An seiner Bürowand hängt ein Porträt von "Miss Lust", wie er seine Frau nennt. ­Darunter steht, ordentlich aufgereiht, die Tro­phäensammlung der Firma Erika Lust Films: Dildos aus Glas. Auf den Stand­füßen prangen Plaketten mit Preisen der "Feminist Porn Awards". Feministische Pornos, was erst einmal heißt: Pornos, die Frauen mögen. Ich bin hier, um zu lernen, was das ist – und wie man sie dreht. In der Abstellkammer neben dem Büro stapeln sich DVD-Hüllen vom ­Boden bis zur Decke. Ihr Lebenswerk, ­gepresst auf runde Kunststoffplatten. Sie sagt: "Niemand kauft mehr DVDs, das geht heute alles per Streaming. Oh Mann, ich werde zu alt für diesen Scheiß." Sie lacht und schaut auf ihr Handy, das leise "Ping" macht. Eine Nachricht, offenbar von einem Fan. "Die Fußfetischisten sind ziemlich hartnäckig. Schreiben mir andauernd auf Instagram, dass ich Fotos von meinen Füßen hochladen soll." Sie lacht wieder, und ihr Mann lacht mit ihr.

Cover der zweiten Ausgabe JWD. Joko Winterscheidts Druckerzeugnis
© Peter Rigaud

Ein Artikel aus ...

... JWD. Joko Winterscheidts Druckerzeugnis. Die zweite Ausgabe gibt es ab 26. April am Kiosk – oder hier.

"Damit ich explizite Filme drehen kann, die schön sind"

Erika Lust strahlt eine Zufriedenheit aus, die man sonst nur von Geist­lichen kennt. Vielleicht liegt es daran, dass sie das macht, wofür sie brennt: Porno­filme, die mehr zeigen als die "Rein-­raus-­Mickymaus"-Routine klassischer Pornos. "Weißt du, ich habe mich hochgearbeitet – damit ich explizite Filme drehen kann, die schön sind", sagt sie, und erzählt, wie alles anfing.

"The Good Girl"

Eigentlich war Erika Lust eine Stre­berin. Sie studierte Politikwissenschaften in ihrer Heimat Schweden und hätte promovieren können, doch stattdessen zog sie im Jahr 2000 nach Barcelona. "Hier spürte ich die Freiheit: Hier konnte ich sein, wie ich sein wollte. Niemand kannte mich hier." Also arbeitete sie beim Film, besorgte Kaffee und Saft für die Regisseure und kutschierte die Schauspieler mit dem Auto herum. "Ich hatte diesen ‚Good Girl‘-Komplex: Man dient anderen, ist nett und nicht egoistisch und denkt nicht zuerst an seine eigenen Bedürfnisse. Aber das ist falsch!" Irgendwann wollte sie kein "gutes Mädchen" mehr sein. Sie wollte selbst einen Film erschaffen. An einer Abendschule besuchte sie Regiekurse. Als Hausaufgabe sollte sie einen Kurzfilm produzieren. Der Titel für ihr Werk: "The Good Girl". Ein Film, 21 Minuten lang, von dem sie immer geträumt hatte: ein Pornofilm mit ihren Werten. Mit einer Darstellerin, die nicht nur dem Mann und seinem Glied dient. Sondern mit einer erfolgreichen Frau als Protagonistin, die gerne Sex hat und ihre Fantasien auslebt. Als der Film fertig war, stellte sie ihn ins Internet. Nach einem Monat hatten zwei Millionen Menschen "The Good Girl" downgeloadet.

Kampf gegen Rollenklischees in ­Pornofilmen

Mit ihrem ersten Film gewann sie auch ihren ersten Preis. Erika Lust erzählt ihre Geschichte routiniert, und am Ende verstehe ich, ­warum sie so zufrieden mit sich ist. Klar, sie ist mit ihren Filmen wohlhabend geworden: 2017 hat sie zwei Millionen Euro Umsatz mit ihren Pornofilmen gemacht, 30 Prozent ihrer Einnahmen kommen aus Deutschland. Doch Erika Lust ist eine Geschäftsfrau mit einer Mission: Sie kämpft gegen Rollenklischees in ­Pornofilmen. Und sie bringt ihre Zuschauer dazu, Sexfantasien auszuleben – ohne, dass Frauen darunter leiden. Sie sagt: "Ich helfe anderen Menschen. Ich glaube, es ist möglich, Geld zu verdienen und Gutes zu tun." Sätze, die man nicht von einer Pornoregisseurin erwarten würde. Und ich frage mich, warum eigentlich nicht? Wenn Sex etwas Gutes ist, warum fällt es dann so schwer sich vorzustellen, dass man etwas Gutes tun kann, indem man es zu seinem Beruf macht? Vielleicht nur deshalb, weil man es selbst nicht könnte?

Das erste Pussypic kriegt die Rolle

"Könnte ich Pornodarsteller werden?", frage ich also Drea Degeus. Sie sitzt im Vorzimmer von Erika Lust und ist ihre Talent-Recruiterin. Ihre Haare trägt sie lila, dazu blauen Lippenstift. In einer Ecke ihres Büros liegt ein weißer Wäsche­sack. Drea bemerkt meinen Blick. "Gewaschene Sachen vom letzten Dreh", sagt sie, und ich versuche, nicht über die ehemals befleckte Kleidung nachzudenken. Stattdessen frage ich nach: Wie wäre es denn, rein hypothetisch, mit mir? Drea sagt: "Jeder könnte den Job machen!" Jetzt bin ich ein bisschen enttäuscht. Aber natürlich nehmen sie nicht jeden. Die erste Hürde: eine Bewerbung schreiben und die richtigen Fotos mit­schicken. Denn Männer neigten dazu, ihr Genital fotografisch in Szene zu setzen. Und dann ausschließlich Dickpics zu schicken. Daher schreibt sie bei männlichen Bewerbern immer dazu, dass sie nicht nur Bilder ihrer Penisse bräuchte. "Die Männer denken: Ich muss mit ­meinem Schwanz arbeiten, also schicke ich Fotos von meinem besten Stück. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele ­Dickpics ich jeden Tag bekomme." Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.

Bei Frauen sei das aber anders: "Bei Bewerberinnen muss ich nicht schreiben: Bitte keine Pussypics. Die bekomme ich nie! Das erste Mädchen, das mir ein Pussy­pic schickt, kriegt eine Rolle." Die zweite Hürde: kein Arschloch sein. Viele Bewerber-Boys seien zwar schön, aber aus politischen Gründen ­ungeeignet. Daher stalked Drea die Bewerber auf Social-Media-Plattformen. Sie sucht nach "asshole content", wie sie es nennt: Leute, die rassistische Südstaaten-Flaggen posten oder Nazi-Tattoos tragen, fliegen aus dem Bewerbungsverfahren. Falls alles passt, interviewt Drea die zukünftigen, potenziellen Pornostars. Das ist dann die letzte Runde.

"Wie wär’s, wenn es mal nicht nur um die Erektion geht?"

Aber was wäre hypothetisch für mich drin, falls ich mich bewerben würde? "Na ja, du könntest mit Erika Lust arbeiten. Eine Ehre! Bis sie in die Industrie kam, war der ganze Mainstream-Porno Penis, Penis, Penis. Und dann kamen Leute wie Erika, die gedacht haben: Wie wär’s, wenn es mal nicht nur um die Erektion geht? Menschen sind eben keine Fick­roboter, und Erika zeigt das in ihren Filmen." Sie erzählt, die Darsteller bekämen 500 Euro pro Tag. Flüge und Unterkunft bezahlt die Produktionsfirma. Am Ende frage ich Drea: "Hat eine Pornokarriere auch Nachteile?" Drea sagt: "Na ja, deine Familie verstößt dich vielleicht. Und du bist nackt und vögelnd im Internet zu ­sehen – für immer. Das gefällt nicht jedem Arbeitgeber." Ich schlucke. Vielleicht sollte ich also vermeiden, die Welt mit eigenen Pornos zu beglücken. Doch eigentlich spricht nichts dagegen, selbst schöne Filme zu drehen – ich muss meinen Schniedel ja nicht gleich im Internet ausstellen.

Wie drehe ich einen Porno? Die besten Tipps von Erika Lust

1. Wenn ihr später euer Werk anseht, werdet ihr nicht nur auf euch Nackedeis achten. Sondern auch darauf, wie der Raum aussieht, in dem ihr Sex habt. Achtet also auf die Dekoration: Niemand will die geerbte Puppe von Oma im Bild haben. Einem erotischen Film tun übrigens Szenenwechsel gut. Also raus aus dem Schlafzimmer! Die Dusche, das Wohnzimmer oder die Küche können spannende Locations sein – auch für einen Pornofilm.

2. Nehmt unterschiedliche Perspektiven auf. Sonst wird der Film langweilig – selbst wenn zwei Menschen darin Sex haben. Bewegt die Kamera. Filmt also eine Totale, auf der man euch sehen kann inklusive des Hintergrunds – Bett, Küche, Keller. Wo ihr euch gerade austobt. Nehmt aber auch Details auf. Vielleicht ein Gesicht, ein wackelnder Tisch, ein Tattoo? Und, aber daran denkt ihr bestimmt selbst: Filmt auch "medizinische" Bilder. Das sind Einstellungen, in denen man die Geschlechtsorgane detailliert aufnimmt.

3. Farben! Schlecht produzierte Amateurpornos erkennt man schnell daran, dass sie farblos sind: weiße Wände, graue Vorhänge, schwarze Bettlaken, alles getaucht in gelbliches Licht der Glühbirne. Falls ihr zu Hause farbige Wände habt, nutzt sie. Und investiert in visuell interessante Deckenbezüge mit Mustern oder einer besonderen Textur.

4. Wie in der Fotografie brauchst du auch beim Film viel Licht, um klare und scharfe Bilder zu produzieren. Das gilt besonders, wenn ihr ein Handy als Kamera benutzt. Mutter Natur ist in diesem Fall unser Freund: Am besten eignet sich natürliches Licht. Also: Gardinen auf und los geht’s! Hoffentlich schauen die Nachbarn nicht zu.

5. Ihr kennt sicher die Pornoklischees: Die Frau trägt Highheels im Bett, stöhnt wie bei einer Geburt, und die Partner kommen gleichzeitig. Ihr braucht diese Klischees nicht nachzuspielen.
Mehr Tipps gibt es in Erika Lusts Buch "Let’s Make a Porno". Ihr findet es kostenlos auf Erikalust.com

Diese Geschichte stammt aus der zweiten Ausgabe von JWD – Joko Winterscheidts Druckerzeugnis. Zu finden auch hier.

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