Ja, ich gebe zu: Ich bin viel am Handy. Ich gebe auch zu, dass ich ohne Fernseher, ohne Magazine und ohne viele Bücher leben könnte. Instagram wäre da schon schwieriger. Mit einem Wisch nach unten aktualisiere ich meinen Feed. Mehr Bilder will ich sehen, von jungen Models in Bikinis am Strand. Von Yoga praktizierenden Frauen mit einem Smoothie in der Hand. Von Bloggern, die sich filmen beim Auspacken von Paketen. Schön, reich, viele Follower und jede Menge tolle Produkte.
Im Supermarkt wandern vegane Dattel-Bällchen und teure Detox-Tees in meinen Korb. Frustriert schäle ich mich aus einer zu engen Sporthose, die mir nicht ansatzweise so gut steht wie meiner liebsten Bloggerin. Jeden Morgen nehme ich mir vor zu meditieren. Jeden Morgen erwische ich mich dabei, wie ich doch lieber länger schlafe. Mein Computer-Verlauf besteht aus einer Mischung aus Online-Shopping und einer Suche nach bezahlbaren Urlaubsorten.
Sind wir wirklich so naiv?
Als ich zum gefühlt hundertsten Mal über eine Teatox-Anzeige mit ausschließlich positiven Kommentaren stolpere, reicht es mir. Sind wir wirklich so naiv? Ich will mich nicht mehr verarschen lassen. Und ihr solltet es genauso wenig tun. Influencer nennen sie sich – Menschen, die wegen ihrer großen Follower-Zahlen und ihrem Erfolg auf Instagram zu den Idolen einer Generation geworden sind. Menschliche Werbeplattformen und doch fast genauso wie du und ich.
Was es überhaupt bedeutet Influencer zu sein, erklärt uns Pia Körber, Gründerin der ersten deutschen Influencer-Academy: "Was ein Influencer mag, wie er seinen Tag gestaltet, Styles und Marken – all das strahlt der Influencer auf seine Follower aus. Diese schließen sich den Empfehlungen der Meinungsmacher gerne an." Laut der Expertin entscheidet nicht die Zahl der Follower, sondern der Grad der Bewunderung über die Intensität der Beeinflussung: "Es gibt Nano-, Micro- und Macro Influencer. Die Bandbreite geht da von 1000 bis hin zu Millionen Follower." Welche Bilder also bezahlt sind und wie viel gezahlt wird, ist nicht allein an der Zahl der Follower festzumachen. "Reichweite ist nur in Kombination mit dem sogenannten Engagement, der Summe von Likes und Kommentaren, für Influencer von Wert", erläutert Körber.
Der Grad zwischen Inszenierung und wahrem Leben ist schmal
Wer jetzt immer noch glaubt, sich mit seinem Account dem Bann der Influencer und ihren Tricks entziehen zu können, irrt sich. Körber erklärt, dass Nutzer sozialer Medien im Bereich Mode, Beauty, Make-Up und Unterhaltungselektronik am leichtesten zu beeinflussen sind. Zu finden sind Influencer aber fast überall: Ernährung, Kochen, Elektronik, Reisen, Fitness, Einrichten und Lifestyle. Der Grad zwischen Inszenierung und dem wahren Leben ist schmal. Wann like ich ein wirklich tolles Original-Bild und wann ein bearbeitetes Bild? Wann ist es eine gestellte Pose? Wann unterstütze ich eine bezahlte Kooperation?
Ohne Zweifel nehmen wir hin, wenn uns von einem neuen Produkt vorgeschwärmt wird. Ohne Zweifel bewundern wir tolle Pos, schöne Outfits, Reisen nach New York und Ibiza. Wir liken, weil das Bild viele Likes hat. Wir folgen, weil die Zahl der Follower ein gutes Zeichen sein muss. Kein einziges Mal stellen wir infrage, welche Tricks eigentlich dahinter stecken.
Versteht mich nicht falsch, ich finde es faszinierend, wie es jungen Leuten gelingt in kürzester Zeit eine so große Fangemeinde aufzubauen, dass sie sich zum Werben eignen. Es ist auch verständlich, dass es schwer ist, zwischen Autorität der Influencer und eigenen Entscheidungen zu differenzieren. Aber genauso wichtig finde ich es, dass wir, als Fans, dabei nicht den Sinn für Realität verlieren.
Wer keine Lust hat, sich weiterhin in die Irre führen zu lassen, sollte sich die fiesen Tricks der Influencer mal genauer anschauen:
1. Bauch rein, Po raus: Posieren für die Likes
Füße verwinkelt, Schultern zurück, Po rausgestreckt- eine zwei Sekunden lange Pose kann Wunder wirken. Das denken sich auch Mode- und Fitness-Influencer. Ein knackiger Hintern und eine klaffende Thigh Gap sind für ihre Bilder ein Muss. Das fleißige Posen bringt optisch nicht nur einige Kilo weniger, sondern auch jede Menge Likes. Was nicht zu sehen ist, ist ein Bauch. Vermutlich haben ihn aber auch die Influencer. Also: Schaut genau hin!
2. Tschüss Pickel, hallo Sommer-Teint
Wer einmal rational überlegt, merkt schnell: Keine Haut ist makellos, keine Taille so schmal wie ein Papier. Das viele Bilder der Influencer bearbeitet sind, ist vermutlich den meisten Menschen klar. Die Bearbeitung ist oft aber weit mehr als nur ein harmloser Filter und buntere Farben. FaceTune, VSCO, Adobe Lightbox. Alles Programme wie gemacht für Influencer: Beine werden länger, Haut brauner, Muskeln definierter. Ein grauer Tag wird zu einem sonnigen, lästige Unordnung wird einfach wegretuschiert. Expertin Körber beschreibt die Benutzung von Bearbeitungsprogrammen bei Influencern zwar lediglich als die persönliche Präferenz für ein modifiziertes Selbst - für Selbstzweifel bei den Followern sorgt es aber trotzdem.
3. 5000 Follower für 20 Euro
Follower kaufen ist fies. Follower kaufen ist Betrug. Gemacht wird es trotzdem. Immer gängiger ist es heute, bei Influencern Abonnenten zu kaufen, um attraktiver für Firmen zu sein. Dabei handelt es sich nicht um wahre Follower, sondern um per Computer kontrollierte Instagram-Profile. "Bots" werden sie genannt und von Programmieren kreiert und im Internet verkauft. Längst gibt es Websites wie megaboosting.com und socialshop.co, die Karteileichen zum kleinen Preis anbieten. Wem also auffällt, dass sein liebster Instgrammer von heute auf morgen mehrere tausende neue Follower hat, kann davon ausgehen, dass diese erkauft sind.
4. Fake Likes und Kommentare
Follower sind wichtig, aber genauso wichtig ist die Interaktionsrate. Je mehr Likes und Kommentare, desto mehr Geld können Influencer verlangen. Nur so erscheinen ihre Bilder im Feed der Leute. Auch diese Interaktionen sind von Maschinen, Social Bots, erzeugt. Sobald ein Post gesponsert ist, sind häufig nur wenige Kommentare von Menschen verfasst. Und mal ganz ehrlich: Wem ist noch nicht aufgefallen, das unter den Produkt-Bildern so gut wie nur positive Reaktionen sind? Da kann doch etwas nicht stimmen ...
5. Heute hier, morgen dort
Habt ihr euch auch schon mal gefragt, wie Influencer das bloß machen? Gerade noch stehen sie irgendwo in Berlin, am nächsten Tag ein Bild am Strand. Lasst euch davon nicht veräppeln: Das konstante Posten ist Teil des Jobs. Dass der Inhalt sich wiederholen kann, das Bild nicht aktuell ist oder die Qualität nicht perfekt, wird nebensächlich. Nur weil jemand ein Bild am Strand postet, heißt also noch lange nicht, dort auch wirklich zu sein.
6. Zusammen sind wir stärker – Instagram Pods
Jedem kam es vermutlich schon mal so vor, als seien die Influencer alle miteinander befreundet. Gegenseitig stellen sie sich als "Lieblings-Accounts" vor, bewerben die Bilder und Posts der anderen und verlinken sich gegenseitig. Dahinter steckt aber eine Methode, die sich "Instagram Pods" nennt. Das sind Gruppen von Instagrammern, die sich gegenseitig folgen und den Inhalt der anderen kommentieren und liken – alles Teil eines Vertrags. Letztendlich ist es aber nur ein weiterer fieser Trick für zusätzliche Abonnenten und mehr Aktivität.
7. #ad #werbung #bezahltepartnerschaft
Werbliche Posts sollen für den Follower auf den ersten Blick erkennbar sein – so denkt man zumindest. Rein rechtlich ist das auch so. Daran halten sich aber die wenigsten. #ad versteckt sich zwischen einer Flut von anderen Hashtags. Die Kennzeichnung einer bezahlten Partnerschaft ist bloß mit einer Lupe ausfindig zu machen. Das Wort Werbung wird fast immer umgangen. Wie soll da noch jemand wissen, was eine Firma bezahlt und was nicht? Schaut also lieber zwei Mal hin, bevor ihr blind einer Produktempfehlung vertraut!
Ja, Influencer sind eine Macht geworden, der sich kaum jemand entziehen kann. Ja, um Influencer ist ein riesiger Wirtschaftsmarkt gewachsen. Und ja, im Prinzip suchen wir uns heutzutage unsere Werbung selber aus. Trotzdem bedeutet das nicht, dass wir uns von den Tricks der Influencer manipulieren lassen müssen! Laut Körber gilt es vor allem eines zu tun: "Schaltet euren gesunden Menschenverstand ein und lasst euch nicht von geliehenem Image blenden. Das eine ist Schein, das andere Sein."