In mehr als 200 Städten im ganzen Land versammelten sich nach Polizeiangaben rund 325.000 Menschen. Die Demonstration in Athen verlief zunächst friedlich. Doch viele Menschen, darunter Kinder und alte Menschen, ergriffen die Flucht, als jugendliche Angreifer Brandsätze und Steine auf die Polizei warfen, Mülltonnen in Brand setzten und Bushaltestellen und Fenster beschädigten. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten ein. Mehr als 40 Menschen wurden festgenommen.
Die Gewerkschaften hatten für Freitag zudem zu einem Generalstreik aufgerufen. Behörden, Schulen und viele Geschäfte in Griechenland blieben am zweiten Jahrestag des Unglücks geschlossen, auch der Flug-, Bahn- und Fährverkehr war weitgehend lahmgelegt.
Am 28. Februar 2023 war kurz vor Mitternacht ein Passagierzug auf dem Weg von Athen nach Thessaloniki frontal mit einem Güterzug zusammengeprallt - 57 Menschen starben. Der Unfall in Tempi nahe der zentralgriechischen Stadt Larissa wurde offiziell auf menschliches Versagen sowie auf schwerwiegende strukturelle Mängel bei der griechischen Bahn zurückgeführt. Einem an die Öffentlichkeit gelangten Expertenbericht zufolge hatte der Güterzug aber auch "illegale" Fracht geladen - darunter explosive chemische Substanzen, die bei der Kollision in Brand gerieten.
Nach dem Unglück hatte es Massenproteste gegen die Regierung gegeben - und auch zwei Jahre nach dem Unglück ist die Unzufriedenheit mit der Aufarbeitung immer noch groß. Umfragen zufolge sind die meisten Menschen in Griechenland davon überzeugt, dass die Behörden nach dem Unglück wichtige Beweise vertuscht und die Ermittlungen so in die Länge gezogen haben.
Die griechische Justiz hat mittlerweile 40 Verdächtige angeklagt, darunter der örtliche Bahnhofsvorsteher. Der Prozess wird aber frühestens Ende des Jahres beginnen.
Als der friedliche Protest in Athen am Freitag wieder aufgenommen werden konnte, riefen viele Demonstranten "Mörder", "Gerechtigkeit" und "Rücktritt" - offenbar mit Blick auf den griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Mitsotakis hatte viel Kritik geerntet, als der das Unglück nur Stunden nach Beginn der offiziellen Ermittlungen auf menschliches Versagen zurückgeführt hatte.
"Wir müssen heute ein starkes Zeichen setzen, damit die Verantwortlichen für diese Tragödie bestraft werden", sagte der 20-jährige Student Nikos Lykomitros bei der Demonstration auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude in Athen. Der 44-jährige Babis Solakidis warnte, es werde in Griechenland weitere Zugunglücke geben, "wenn keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden."