Hisbollah ernennt Vizechef Naim Kassem zu Nachfolger von Nasrallah

Naim Kassem
Naim Kassem
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Einen Monat nach der Tötung ihres Chefs Hassan Nasrallah hat die Hisbollah-Miliz im Libanon dessen Stellvertreter Naim Kassem zum Nachfolger ernannt. Der Schura-Rat, das Führungsorgan der Hisbollah, habe "sich darauf geeinigt, Scheich Naim Kassem zum Generalsekretär der Hisbollah zu wählen", erklärte die Miliz am Dienstag. Israels Regierung drohte, Kassem werde den Posten nicht lange ausüben können. Die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon gingen indes unvermindert weiter.

Die Hisbollah werde "die Flamme des Widerstands" so lange brennen lassen, bis Israel besiegt ist, hieß es in der Erklärung der Miliz zu Kassems Ernennung. Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant schrieb mit Blick auf Kassem im Online-Dienst X: "Temporäre Ernennung. Nicht für lange." Der "Countdown hat begonnen", fügte Gallant in einem weiteren Post hinzu.

Eine der Hisbollah nahestehende Quelle erklärte, Kassem sei von dem fünfköpfigen Schura-Rat bereits zwei Tage vor der Bekanntgabe am Dienstag zum neuen Chef gewählt worden. Der Quelle zufolge werde nach dem Ende des Kriegs ein neuer Schura-Rat gewählt werden. Dieser könne dann entscheiden, ob er einen neuen Anführer wählt oder Kassem an der Spitze belässt.

Nasrallah war am 27. September bei einem Angriff der israelischen Armee in der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet worden. Zunächst war das Oberhaupt des Hisbollah-Exekutivrats, Haschem Safieddin, als potentieller Nachfolger des getöteten Nasrallah gehandelt worden. In der vergangenen Woche bestätigte die israelische Armee allerdings auch dessen Tod bei einem Angriff Anfang Oktober in Beirut. Als Reaktion unter anderem auf die Tötung Nasrallahs hatte der Iran Israel am 1. Oktober mit rund 200 Raketen angegriffen. 

Der 71-jährige Kassem gehörte 1982 mit zu den Gründungsmitgliedern der Hisbollah. 1991 wurde er zum stellvertretenden Generalsekretär der Miliz ernannt. Anders als Nasrallah, der nach dem Libanon-Krieg weitgehend untertauchte, trat Kassem weiterhin in der Öffentlichkeit auf. Nach Nasrallahs Tod war Kassem in drei TV-Ansprachen zu sehen, zuletzt am 15. Oktober.

In seiner ersten Rede nach Bekanntwerden von Nasrallahs Tötung verkündete Kassem, dass die Hisbollah ihren ermordeten Anführer bald ersetzen werde. In späteren Reden versicherte er, die militärischen Fähigkeiten der Hisbollah bestünden fort. 

Kassem erklärte zudem, dass die einzige Lösung für die Rückkehr vertriebener Israelis in ihre Häuser im Norden des Landes eine "Waffenruhe" sei. Andernfalls werde die Hisbollah "überall" in Israel zuzuschlagen.

Die mit der pro-iranischen Hisbollah verbündete Palästinenserorganisation Hamas begrüßte die Wahl von Kassem. "Wir betrachten diese Wahl als Beweis dafür, dass sich die Partei von den Angriffen auf ihre Anführer erholt hat", erklärte die Hamas und sicherte der Hisbollah ihre "Unterstützung für die neue Führung" zu.

Die israelische Armee fliegt seit gut einem Monat massive Luftangriffe auf Stellungen der Hisbollah im Libanon. Als Ziel nennt Israel ein Ende des Beschusses durch die Hisbollah und eine Rückkehr der Bewohner Nordisraels in ihre Häuser. Einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP zufolge sind seit Beginn der Angriffe am 23. September mehr als 1700 Menschen getötet worden.  

Am Dienstag rückten israelische Panzer libanesischen Medienberichten zufolge bis an den Rand der südlibanesischen Ortschaft Chiam unweit der Grenze zwischen beiden Ländern vor. "Eine große Anzahl von Panzern" der israelischen Armee sei bis auf einen Hügel östlich von Chiam vorgedrungen, meldete die staatliche Nationale Nachrichtenagentur. 

Das Gebiet liegt rund sechs Kilometer von der israelisch-libanesischen Grenze entfernt. Das Vordringen nach Chiam stellt den weitesten Vorstoß seit Beginn des israelischen Bodeneinsatzes Ende September dar.

In Norden Israels meldeten Rettungskräfte am Dienstag den Tod eines Mannes nach einem Raketenangriff aus dem Libanon in der Stadt Maalot. Der israelischen Armee zufolge wurden am Dienstagmorgen etwa 50 Geschosse aus dem Libanon in den Norden Israels abgefeuert. 

AFP