PORTRÄT: Gertrud Steinbrück geht ihren eigenen Weg

Bisher gelang es Gertrud Steinbrück stets, sich vom Rampenlicht der Politik fernzuhalten.

Bisher gelang es Gertrud Steinbrück stets, sich vom Rampenlicht der Politik fernzuhalten. Am Sonntag, beim SPD-Parteitag zur Kandidatenkür ihres Ehemanns Peer Steinbrück, machte die 63-Jährige aber eine Ausnahme: Mit den drei erwachsenen Kindern saß sie in der ersten Reihe im Publikum. Doch schon im Vorfeld des Parteitags in Hannover hatte die Gymnasiallehrerin klargemacht, dass sie keineswegs daran denkt, im Bundestagswahlkampf als Frau an der Seite des Kandidaten aufzutreten.

Seit 37 Jahren sind die Lehrerin und der Vollblutpolitiker verheiratet. Während Peer Steinbrück seine politische Karriere vorantrieb, verfolgte Gertrud Steinbrück konsequent ihren eigenen Weg. Seit über 30 Jahren unterrichtet sie am evangelischen Amos-Comenius-Gymnasium in Bonn, ihre Fächer sind Biologie und Politik. Selbst als ihr Mann von 2002 bis 2005 Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen war, arbeitete sie weiter. Nur in Ausnahmefällen ließ sie sich vom Unterricht freistellen. "Ich werde bezahlt, weil ich arbeite", sagte sie in dieser Zeit einmal. "Das Lehramt ist der Job meines Lebens."

Die promovierte Biologin wurde 1949 in Sachsen-Anhalt geboren, floh als Kind mit ihren Eltern in den Westen und landete schließlich in Bonn, wo die Steinbrücks bis heute leben. Nur als Peer Steinbrück von 1990 bis 1998 zunächst Staatssekretär und danach Minister in Schleswig-Holstein war, gab Gertrud Steinbrück ihren Beruf für einige Jahre auf. Doch es drängte sie wieder in den Job. Sie kehrte an "ihr" Bonner Gymnasium zurück und pendelte eine zeitlang nach Kiel.

Der Kanzlerkandidat, dem so manche Sozialdemokratin zu wenig Sinn für Frauenthemen bescheinigt, verweist zum Gegenbeweis gerne auf seine Familie. Er habe es zu Hause schon immer mit einer sehr selbstbewussten Ehefrau zu tun gehabt, sagte Peer Steinbrück kürzlich beim "Roten Frauensalon" der SPD. "Meine Frau wollte immer berufstätig sein", hob der 65-Jährige hervor.

Das "Frauenproblem", das Steinbrück gerne attestiert wird, weil er bislang bei den weiblichen Wählern nicht so gut ankommt, gibt es im familiären Umfeld offenkundig nicht. Neben der eigenständigen Ehefrau kann der Kandidat außer Sohn Johannes auch zwei selbstbewusste Töchter vorweisen. Die Ältere, Katharina, hatte nach der überstürzten Kandidatenausrufung erst einmal den Familienrat einberufen. "Mein Mann musste aussagen. Das war ein Gerichtstermin für ihn", sagte Gertrud Steinbrück kürzlich der "Welt am Sonntag" und betonte den offenen Ton, der in der Familie herrsche.

Nun nimmt Gertrud Steinbrück in Kauf, dass die Kanzlerkandidatur das Familienleben tiefgreifend erschüttert. Die ersten Erfahrungen nach der Bekanntgabe der Kandidatur Ende September waren alles andere als erfreulich. "Die ausgiebige Berichterstattung über die früheren Nebentätigkeiten meines Mannes empfinde ich als belastend und ehrenrührig", sagte sie. "Die vergangenen Wochen waren daher auch für unsere Kinder und mich wirklich hart."

Unabhängig vom weiteren politischen Werdegang ihres Mannes steht für Gertrud Steinbrück selbst bald ein neuer Lebensabschnitt an: Im Sommer 2013 wird sie in den Ruhestand gehen. Und weiß schon jetzt, dass ihr die Schule sehr fehlen wird. Auch sie hat Pläne für Berlin, allerdings ganz andere als Peer Steinbrück: Auf ihrer Liste stehen Pergamonmuseum, Deutsches Historisches Museum und andere kulturelle Highlights.

Trotz aller Fragezeichen mit Blick auf die Bundestagswahl macht sie sich bereits Gedanken über ihre Rolle als mögliche Kanzler-Ehefrau. Ihr Vorbild dabei: Joachim Sauer, der Ehemann der Bundeskanzlerin, dem sie Respekt für seine "generelle Zurückhaltung" zollte. "Er hält sich zurück und sucht selten bis nie die öffentliche Bühne", sagte sie. "Herr Sauer macht es gut."

AFP
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