Wegen befürchteten Großangriffs: Ukraine ordnet Evakuierung von elf Dörfern in Sumy an

Löscharbeiten nach Angriff in Ukraine Anfang Mai
Löscharbeiten nach Angriff in Ukraine Anfang Mai
© AFP
Trotz möglicher neuer Waffenruhe-Gespräche mit Russland hat sich die Ukraine am Wochenende auf eine russische Großoffensive in ihrer Grenzregion Sumy vorbereitet. Als Reaktion auf "die ständige Gefahr für das Leben der Zivilbevölkerung aufgrund der Bombardierung der Grenzgemeinden" seien elf weitere Dörfer in Sumy evakuiert worden, erklärte die Regionalverwaltung am Samstag. Unterdessen wurden bei russischen Luftangriffen im Süden der Ukraine nach ukrainischen Angaben mindestens acht Menschen getötet.  

Mit den neuen Evakuierungsmaßnahmen in Sumy erhöht sich nach ukrainischen Angaben die Zahl der in der Region geräumten Ortschaften auf bereits 213. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Mittwoch erklärt, dass Russland mehr als 50.000 Soldaten in die Region verlegt habe. Selenskyj warnte vor einer großen Offensive. 

Russland greift die Grenzregion Sumy wieder verstärkt an, seitdem die ukrainische Armee in den vergangenen Monaten nach Moskauer Angaben aus der benachbarten russischen Region Kursk vertrieben worden war. Die Ukraine hatte im vergangenen Jahr in Kursk eine Überraschungsoffensive begonnen, die russischen Streitkräfte eroberten daraufhin jedoch nach und nach das Territorium zurück. 

Ein Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes sagte am Donnerstag, Russland sei bereit, einen "Angriff auf Sumy zu versuchen". Das russische Verteidigungsministerium verkündete am Samstag die Einnahme des Dorfes Wodolagy in der Region Sumy. Außerdem sei die Ortschaft Nowopil in der östlichen Region Donezk eingenommen worden, teilte das Ministerium mit. 

Laut dem Kommandanten der ukrainischen Landstreitkräfte, Oleksandr Sirski, konzentrierten sich die russischen Angriffe auf mehrere Ortschaften in der Region Donezk und "Teile der Region Sumy". Auch in der weiter südlich gelegenen Region Saporischschja verstärkten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe.

Im Laufe der Woche hatten russische Truppen eigenen Angaben zufolge bereits mehrere Ortschaften in Sumy eingenommen. Es wird vermutet, dass sie versuchen, eine Pufferzone zu schaffen, um ukrainische Übergriffe auf russisches Staatsgebiet - wie im vergangenen Sommer in Kursk geschehen - zu verhindern.

Die diplomatischen Bemühungen, den Krieg zu beenden, waren in den vergangenen Wochen zwar verstärkt worden. Das erste direkte Treffen zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine seit drei Jahren Mitte Mai in Istanbul erbrachte jedoch keine Fortschritte in Richtung einer Waffenruhe. Es wurde lediglich ein großer Gefangenenaustausch vereinbart, der bereits stattgefunden hat.

Die Bemühungen um ein Ende des Ukraine-Kriegs gehören auch zu den zentralen Themens beim Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus. Die Bundesregierung kündigte den Antrittsbesuch in Washington für kommenden Donnerstag an.

Für Montag hat der Kreml ein zweites direktes Treffen in Istanbul vorgeschlagen. Die Ukraine hat sich grundsätzlich zu einem erneuten Treffen bereit erklärt, will aber vorher die russischen Bedingungen für ein Friedensabkommen erfahren. 

Selenskyj kritisierte am Samstag, der russische Vorstoß wirke "nicht sehr seriös". Die russische Delegation in der Türkei soll erneut vom früheren Kulturminister Wladimir Medinski angeführt werden, der nicht als sehr einflussreich gilt.

Am Freitag hatte Selenskyj Moskau vorgeworfen, eine versprochene Liste mit Bedingungen für einen Frieden in der Ukraine zurückzuhalten. "Seit über einer Woche sind die Russen nicht in der Lage, dieses sogenannte 'Memorandum' vorzulegen", schrieb Selenskyj im Onlinedienst X.

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte indessen am Freitag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York, dass Russland bereit sei, "die Möglichkeit einer Waffenruhe zu prüfen, die anschließend den Weg für eine endgültige Beseitigung der Konfliktursachen ebnen würde".

Während einer Waffenruhe müssten "die westlichen Länder die Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew einstellen und die Ukraine ihre Mobilisierung beenden", forderte Nebensja. Moskau könne nicht einer Regelung zustimmen, die es Kiew ermöglichen würde, "Atem zu holen, seine Wunden zu lecken und den Kollaps der östlichen Front zu stoppen".

Russland setzte in der Nacht zum Samstag seine Luftangriffe auf die Ukraine fort. Dabei wurden ukrainischen Angaben zufolge binnen 24 Stunden mindestens acht Menschen getötet, darunter ein neunjähriges Mädchen in der südlichen Region  Saporischschja. Dort hätten "russische Streitkräfte ein Wohngebiet mit Lenkbomben angegriffen", wobei die Neunjährige getötet sowie ein 16-jähriger Junge verletzt worden seien, teilte der Leiter der regionalen Militärverwaltung, Iwan Fedorow, im Onlinedienst Telegram mit. 

AFP