Ärzte-Skandal Rechnung für tote Patienten

Über tausend Ärzte haben laut Ermittlungen der Krankenkasse AOK Behandlungen und Untersuchungen von Patienten in Rechnung gestellt, die schon seit Jahren tot sind.

Makabre Abrechnungsbetrügereien mit toten Patienten hat die AOK Niedersachsen aufgedeckt. Wie ein Sprecher bestätigte, stellte eine Reihe von Ärzten Behandlungen und Untersuchungen von Patienten in Rechnung, die schon seit Jahren auf dem Friedhof liegen. Bei einer Stichprobenkontrolle für das vierte Quartal 2001 allein in Niedersachsen seien 140 Tote ermittelt worden, für die Ärzte abkassierten. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt forderte dringend Aufklärung.

Klaus Altmann von der Landes-AOK sagte, "hochgerechnet auf das ganze Bundesgebiet, kommt man spielend auf mehrere tausend Tote, mit denen Ärzte noch ein Geschäft machen." Ein Sprecher bestätigte beispielsweise den Fall eines Allgemein- und Sportmediziners, der "Hausbesuche und die Erhebung des Ganzkörperstatus" bei einer 72-Jährigen abgerechnet habe, die zum Zeitpunkt der "Behandlung" bereits seit fünf Jahren im Grab gelegen habe. Mit den Chipkartendaten der Toten habe der Arzt mehrfach Behandlungen und Rezeptkosten abgerechnet.

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt allein gegen diesen Mediziner in 400 Fällen wegen Betruges. Der Wilhelmshavener Arzt soll dazu die Daten von insgesamt elf Toten illegal auf seinem Praxiscomputer gespeichert und für gefälschte Abrechnungen benutzt haben. Den Krankenkassen seien durch die Phantombehandlungen dieses Arztes und anderer Mediziner Schäden in Millionenhöhe entstanden, hieß es bei der AOK Niedersachsen.

Eine Milliarde jährlich falsch abgerechnet?

Die Ministerin verwies auf eine Schätzung, wonach durch falsche Abrechnungen eine Milliarde Euro pro Jahr auf Arztkonten flössen. Sie mache sich diese Zahl zwar nicht nicht ohne weiteres zu eigen, erklärte Schmidt. "Aber wenn es nur die Hälfte ist, hieße das: 500 Millionen Euro würden fehlgeleitet."

Sie verlangte von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nachdrücklich, Klarheit über Umfang und Erfahrungen mit Abrechnungsbetrug zu schaffen. Sie habe die KBV bereits am 23. Dezember zur Auskunft aufgefordert, aber bisher keine Antwort erhalten. Die jüngsten Vorwürfe, Ärzte hätten bei Toten abkassiert "müssen aus der Welt", erklärte sie. Sie schadeten der gesamten Ärzteschaft.

Die KBV solle ihre Erkenntnisse über Betrügereien vorlegen, damit nicht zuletzt die Patienten erführen, was mit ihren Beiträgen geschehe. Die Behauptung, durch Betrügereien würden nicht die Versicherten sondern nur die Ärzte selber geschädigt, sei "albern und falsch".

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