Drohungen wegen "Erdogan-Burger" "Die Leute haben überlegt, wie ich am besten hingerichtet werden sollte"

Er hat in seinem Laden einen "Erdogan-Burger" angeboten - mit extra viel Ziegenkäse. Wegen massiver Drohungen musste Jörg Tiemann sein Geschäft kurzzeitig schließen. Nun hat er wiedereröffnet.

Die Geschichte ging in den vergangenen Tagen durch die Medien: Das "Urban Burgery" in Köln bietet als Anspielung auf Böhmermanns Schmähgedicht einen "Erdogan-Burger" mit extra viel Ziegenkäse an - und muss deswegen schließen. So massiv waren die Anfeindungen auf Facebook geworden, dass mehrere Mitarbeiter kündigten. Geschäftsführer Jörg Tiemann hat seinen Laden heute wieder aufgemacht. Einschüchtern lassen will er sich nicht.

Herr Tiemann, haben Sie mit der Aufregung gerechnet?

Jörg Tiemann: Nein, überhaupt nicht. Dass man so eine Welle auslöst, damit konnte niemand rechnen. Wir haben aber nach der Einführung des Burgers ziemlich schnell gemerkt, dass da etwas passiert. Die Reaktionen auf Facebook waren unglaublich. Normalerweise wird die Seite eines so kleinen Geschäfts vielleicht 100 bis 200 Mal am Tag aufgerufen. Wir hatten in zwei Tagen mehr als 150.000 Aufrufe. Da haben wir gemerkt, dass wir offenbar in ein Wespennest gestochen haben.

Was kamen für Reaktionen?

Vor allem negative: Beschimpfungen, Beleidigungen, Hasstiraden.

Wurde Ihnen da nicht mulmig?

Anfangs nicht. Es waren ja erst nur Beleidigungen, wutgesteuerte Ausbrüche, das habe ich nicht ernstgenommen. Aber dann kamen die Drohungen. Wir hatten drei Mitarbeiter türkischer Herkunft, die haben alle gekündigt. Eine Mitarbeiterin hat sofort, als sie von der Sache mit dem Erdogan-Burger gehört hat, gekündigt: Weil sie Sorge hatte, dass ihre Familie mit einem Einreiseverbot in die Türkei belegt wird. Sie war hier festangestellt, in Vollzeit. Jetzt ist sie arbeitssuchend. Es ist unglaublich, dass Erdogans Arm sogar bis hierher, nach Köln in einen kleinen Burger-Laden, reicht. Ein anderer Mitarbeiter hat uns verlassen, nachdem er in seinem Umfeld persönlich angefeindet worden war.

Wie wurde Ihnen gedroht?

Man hat uns auf Facebook gedroht, man werde uns die AKP oder die Grauen Wölfe in den Laden schicken. Dann gab es einen Kommentar, in dem dazu aufgerufen wurde, mich zu hängen oder zu verbrennen. Es war ein Kommentar mit mehreren Antworten. Die Leute haben sich überlegt, wie ich am besten hingerichtet werden sollte. Und einmal, als ich alleine im Gastraum war, haben sich draußen vor dem Schaufenster vier Männer aufgebaut und standen breitbeinig und breitschultrig ein paar Minuten da. Da hatte ich schon kurz überlegt, ob ich das bedrohlich finde.

Wie reagieren Sie auf die Anfeindungen?

Ich habe Anzeige erstattet - nicht wegen der Beleidigungen, das finde ich im Zeitalter des Internets albern, aber wegen der Androhungen. Nicht meinetwegen, sondern wegen der Mitarbeiter. In der Zeit, in der wir geschlossen hatten, haben wir auch die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und eine Videoüberwachungsanlage mit acht Kameras installiert. Die sind nachtsichttauglich - wir sehen es also auch, wenn jemand nachts reinkommt.

Den Erdogan-Burger gibt es ja erst seit kurzer Zeit. Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee?

Mein Mann und ich waren in Hamburg, und auf der Fahrt zurück haben wir Radio gehört. In einem Bericht hieß es, dass ein türkischer Journalist zu einer Geldstrafe von mehreren Tausend Euro verurteilt worden ist, weil er in einem Kommentar meinte, dass die Türkei sich unter Erdogan zu einem autokratischen Staat entwickle. Wir fanden das furchtbar! Der Mann hat vielleicht eine Frau und Familie, und eine solche Geldstrafe kann existenzbedrohend sein. Wir sprachen darüber, warum kein Mensch etwas dagegen macht. In der Türkei macht niemand was, weil die Menschen entweder eingeschüchtert oder Erdogan-Fans sind. Aber auch hier in Deutschland passiert nichts. Wir haben uns gefragt: Wo sind die vernünftigen Türken? Man liest immer wieder, was dort passiert, aber es gibt keine gesellschaftliche Reaktion darauf. Da war die Idee geboren. Natürlich ist auch der Burger satirisch. Wir verstehen ihn als Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit. Was ist besser, als mit Satire für das Recht auf Satire zu kämpfen?

Haben Sie weitere Pläne in die Richtung?

Der Burger ist nur symbolisch. Aber wir wollen ab nächste Woche einen Böhmermann-Cookie anbieten. Die Erlöse sollen zu 100 Prozent an die Familien verurteilter Journalisten in der Türkei gehen. Dank "Reporter ohne Grenzen" konnten wir Kontakt zu deren Anwälten aufnehmen. Natürlich sind wir nicht naiv, da werden keine großen Beträge zusammenkommen. Aber wir hoffen, dass auch andere mitmachen und ein paar Euro spenden.

Bei all den Drohungen gegen Sie und Ihren Laden: Haben Sie keine Angst?

Nein, ich glaube, ich bin tendenziell ein angstfreier Mensch. Und Hunde, die bellen, beißen nicht.

car

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