Justizskandal Gablingen Anwältin: "Was hinter den Mauern ist, bleibt hinter den Mauern"

"Gleicht einer Folter" – Erschreckende Vorwürfe gegen die JVA Augsburg
"Gleicht einer Folter" – Erschreckende Vorwürfe gegen die JVA Augsburg 
© Karl-Josef Hildenbrand / DPA
Sehen Sie im Video: Anwältin – Zustände in bayerischer JVA "gleichen einer Folter". Videoquelle: n-tv.de
Die Anwältin der mutmaßlich gefolterten Ex-Häftlinge von Gablingen erklärt im Interview, was ihre Mandanten jetzt verlangen.

An der JVA Augsburg-Gablingen laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. In dem Augsburger Gefängnis sollen Insassen massiv misshandelt und gedemütigt worden sein. Die Strafrechtlerin Alexandra Gutmeyr vertritt zwei der Betroffenen – und die ehemalige Gefängnisärztin, die den Fall aufgedeckt hatte. 

Frau Gutmeyr, wann haben Sie entschieden, gegen die JVA Gablingen vorzugehen?
Als ich davon erfahren habe, wie die Zustände in den sogenannten "besonders gesicherten Hafträumen" sind. Das war, als sich die ehemalige Anstaltsärztin vergangenes Jahr an mich gewandt hat. Sie ist direkte Augenzeugin.

Wovon berichtete sie damals?
Sie wollte Beratung, weil sie sich hilflos gefühlt hat. Sie hat mit ansehen müssen, wie Häftlinge splitterfasernackt auf hartem Betonboden schlafen mussten, keine warmen Mahlzeiten bekamen und keine Möglichkeit einer Körperhygiene nachzugehen. Die Häftlinge hatten dadurch natürlich körperliche Folgen, Juckreiz der Haut, Hämatome am Körper und Mangelerscheinungen durch mangelndes Tageslicht. Sie wussten nicht: Wie lang bin ich denn überhaupt hier? 

Als ein Mandant von mir, der in diesem besonders gesicherten Haftraum untergebracht worden ist, ähnliche Zustände geschildert hat, war für mich klar: Das entspricht den Tatsachen. Da muss man was tun.

Eine blonde Anwältin schaut lächelnd in die Kamera, sie vertritt zwei Ex-Häftlinge der JVA Gablingen
© Alexandra Gutmeyr

Zur Person

Vertritt zwei Ex-Häftlinge der JVA Gablingen: Alexandra Gutmeyr. Ihre Ausbildung absolvierte sie an der Universität Augsburg. Sie ist auf Betäubungsmittelstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht und Jugendstrafrecht spezialisiert und engagiert sich ehrenamtlich in der Drogenhilfe.

Die JVA begründet die Unterbringung damit, die Häftlinge seien akut suizidgefährdet gewesen oder hätten Gewalt gegen sich oder andere ausgeübt.
Wenn eine psychische Auffälligkeit vorhanden war, wurde sie teilweise durch die Unterbringung noch verstärkt. Ein Häftling soll mit dem Kopf voraus gegen die Wand gelaufen sein.

Sie sind eine erfahrene Strafrechtsanwältin. Waren Sie überrascht, als Sie von diesen Zuständen hörten?
Dass so etwas in Deutschland überhaupt möglich ist: Ja. Man sagt oft, Gefängnisse seien eine Blackbox. Was hinter den Mauern ist, bleibt hinter den Mauern. Dass nicht alles immer richtig läuft, ist schon lange bekannt. Ich kannte Berichte von Häftlingen, die, sagen wir: Gepiesackt werden. 

Aber das, was in Gablingen passiert, ist etwas anderes. Menschen splitterfasernackt über Tage oder Wochen auf einem nackten Betonboden schlafen zu lassen, ohne ausreichende Nahrung. Es muss jedem Menschen mit Verstand klar sein, dass körperliche Mängel auftreten werden. Das ist eine Körperverletzung

Im vergangenen Jahr erstattete zunächst die Gefängnisärztin Anzeige. Die Ermittlungen wurden allerdings eingestellt. Warum?
Frau Baur hatte zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt, weil sie die Zustände nicht mehr ertragen hat. Dadurch hatte sie keinen Zugriff auf die ganzen Unterlagen. Durch die Vielzahl der Insassen konnte sie keine konkreten Zuordnungen mehr machen. Die Behörden wussten also nicht, wo sie ansetzen konnten. 

Wie geht es jetzt weiter? 
Mittlerweile gibt es konkrete Anzeigen von Betroffenen, die namentlich bekannt sind und vernommen werden können. Mehr weiß ich auch nicht, weil ich genauso wenig über laufende Ermittlungen informiert werden darf wie andere. Ich gehe davon aus, dass die Ermittlungen mindestens ein halbes Jahr dauern. Eher länger.

Sie vertreten zwei der Häftlinge, die Anzeige erstattet haben. Was wollen Ihre Mandanten?
Es geht ihnen darum, dass solche Zustände nicht mehr passieren. Und dass diejenigen dafür bestraft werden, die dafür verantwortlich waren. Genauso wie meine Mandanten bestraft worden sind für das, was sie getan haben. 

Gibt es für Inhaftierte eine Möglichkeit, sich bereits in Haft über die Bedingungen zu beschweren?
Man kann sich intern in der JVA melden, was natürlich wenig bringt.  Es gibt die Möglichkeit, dass sich Gefangene direkt an das Ministerium wenden. Sie können auf die Menschenrechtskonvention hinweisen. Die Frage ist dann, ob diese Briefe gelesen werden. Oft wissen die Häftlinge auch gar nicht, welche Wege sie beschreiten könnten. 

Im Zentrum der Vorwürfe steht die stellvertretende JVA-Chefin. Über ihre Anwälte hat sie geäußert, die Anschuldigungen würden "jeglicher Grundlage entbehren".
Dazu äußere ich mich nicht. Ich würde, ich würde auf der Gegenseite auch nicht anders argumentieren.

Auch in der JVA Kaisheim soll es Medienberichten zufolge Auffälligkeiten gegeben haben. Ist Gablingen ein Einzelfall oder Symptom eines strukturellen Problems? 
Wir reden lediglich von zwei JVAs. Von so gravierenden Vorwürfen wie in Gablingen habe ich in anderen bayerischen JVAs und auch in anderen Bundesländern in diesem Ausmaß noch nicht gehört.

Das bayerische Justizministerium hat bereits reagiert, Disziplinarverfahren eingeleitet und Hausverbote verhängt. Reicht das?
Zum jetzigen Zeitpunkt: Ja. Die Ermittlungen laufen. Mehr kann man jetzt momentan nicht machen. Die Reaktion war wichtig und war auch richtig, um zu zeigen: Wir nehmen die Sache ernst.

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Gang an die Öffentlichkeit?
Positiv. Viele haben sich dafür bedankt, dass quasi das jetzt etwas bewegt wird. Soweit ich weiß, haben sich wohl auch schon weitere Betroffene an die Presse gewandt. Eine große Sorge von Häftlingen ist, dass ihnen nicht zugehört wird. Dass jetzt über die Vorfälle gesprochen wird, zeigt: Euch wird auch Glauben geschenkt – auch, wenn ihr in Haft wart.

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