Gegner & Befürworter Einsame Rufer in der Wüste

Reformgegner wie -befürworter verteidigen nach wie vor eisern ihre Standpunkte: Während das Urteil der Reformer im Großen und Ganzen positiv ausfällt, will die "FAZ", obwohl weitere Blätter ihrem Beispiel nicht folgten, bei der alten Rechtschreibung bleiben.

Die Rechtschreibreform erhitzt nach wie vor die Gemüter. Zwar sind die öffentlichen Diskussionen darüber mittlerweile verstummt, doch Reformgegner wie -befürworter verteidigen nach wie vor eisern ihre Standpunkte. Mit dem Entschluss, zum 1. August 2000 wieder zur alten Schreibweise zurückzukehren, hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vor einem Jahr die Debatte neu entfacht. Die Zeitung blieb jedoch ein einsamer Rufer in der Wüste. Weitere Blätter folgten ihrem Beispiel nicht, sondern behielten die neuen Regeln bei. Zum Jahresende will nun die Zwischenstaatliche Kommission für die deutsche Rechtschreibung einen Bericht über die Umsetzung der Reform in Deutschland vorlegen.

Positives Urteil

Im Großen und Ganzen fällt das Urteil der Reformer positiv aus. Bislang sei die Kommission "sehr zufrieden mit dem Grad der Umsetzung in so kurzer Zeit", sagt Geschäftsführer Klaus Heller. An den Schulen, in den Lehrbüchern und zu einem großen Teil auch in der Kinder- und Jugendliteratur seien die neuen Regeln längst etabliert. Und auch in der privaten Korrespondenz gehe die Tendenz zur neuen Schreibweise. Eine Untersuchung von Original-Leserbriefen an deutsche Zeitungen habe ergeben, dass bereits die Hälfte der Absender die neuen Regeln befolge. "Das ist in unseren Augen viel, schließlich braucht es Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat."

Das sieht Christian Meier, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und scharfer Reformkritiker, ganz anders. Er würde am liebsten die Reform komplett kassieren, die zu "chaotischen Verhältnissen" geführt habe. Die unterschiedlichen Schreibweisen in Zeitungen und Zeitschriften, Schulbüchern und belletristischen Büchern sind ihm ein Dorn im Auge. Auch im privaten Schriftverkehr hätten sich die neuen Regeln keineswegs durchgesetzt.

"Sie stiftet nur Verwirrung"

Die FAZ-Redakteure seien froh gewesen, dass sie zur vertrauten Schreibweise zurückkehren konnten, sagt der Literaturchef der FAZ, Hubert Spiegel. "Wir haben ein Jahr lang versucht, uns der Reform zu fügen. Aber diese Reform wird ihrem selbst gesteckten Ziel, die Rechtschreibung zu erleichtern, nicht gerecht. Sie stiftet nur Verwirrung." Auch die Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Anja Pasquay, ist nicht überzeugt von der Reform: "Die Zeitungen haben die Rechtschreibreform mit großen Bauchschmerzen mitgemacht, weil sie überflüssig wie ein Kropf ist".

Das lässt Schreibreformer Heller nicht auf sich sitzen. "Die FAZ hat sich mit großem journalistischen Getöse ein Jahr lang bemüht, alle zu Wort kommen zu lassen, die nur im Entferntesten irgendetwas gegen die neue Rechtschreibung sagen konnten", sagt er. Die von der FAZ ausgelöste Diskussion "war viel Lärm um nichts. Da haben sich viele Leute profilieren wollen."

Überprüfungen und Änderungen

Die von Reformgegnern immer wieder kritisierten Punkte wie Getrennt- und Zusammenschreibung will die Kommission nach Angaben Hellers überprüfen und gegebenenfalls noch leicht verändern. "Aber wenn sich noch etwas verändert, sind das nur Kleinigkeiten, die nach und nach mit den neuen Auflagen der Wörterbücher umgesetzt werden." Die Akademie für Sprache und Dichtung will im Herbst einen Kompromissvorschlag machen. Als für alle "tragbare Lösung" soll er Konzessionen an die neuen Regeln machen, aber gleichzeitig sinnvolle Regelungen der alten Schreibweise aufleben lassen, sagt Meier. Wenig diplomatisch fügt er hinzu, die Akademie arbeite "mit den besten Sprachwissenschaftlern Deutschlands" zusammen, während an der Reform "ziemlich minderwertige" Wissenschaftler beteiligt gewesen seien.

Reformer Heller ist überzeugt, dass auch bei der FAZ das letzte Wort noch nicht gesprochen sei: "Auch die FAZ wird eines Tages wieder umstellen, wenn sie nämlich merkt, dass die, von denen sie gelesen wird, sich umgestellt haben."

"Nicht sehr glücklich"

Dass in der gedruckten FAZ anders geschrieben wird als im Internet-Auftritt www.faz.net, nimmt Spiegel zähneknirschend hin. "Das ist uneinheitlich, ich bin darüber auch nicht sehr glücklich. Ich habe mich überzeugen lassen von den Verantwortlichen, dass es im Internet nicht anders geht. Wenn wir vor einem Jahr schon eine Internet-Ausgabe gehabt hätten, hätte die Sache vielleicht anders ausgesehen, dann hätten wir alles einheitlich auf die alte Schreibweise gebracht." Nun aber findet der Surfer unter www.faz.net die reformierte Schreibweise, während unter www.faz.de Artikel aus der aktuellen Print-Ausgabe in der alten Schreibweise stehen.

Die Leser und Autoren hätten die Entscheidung begrüßt, sagte Spiegel. "Unvergessen der Satz von Günter Grass: Die FAZ darf weiter allen Unsinn über mich behaupten, Hauptsache, sie tut es nach den Regeln der alten Rechtschreibung." Spiegel ist überzeugt, dass sich die Mehrzahl der Menschen im privaten Schriftverkehr weiter an die alten Regeln hält.

DPA
Nicola Prietze

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