Herr Schneider, Sie halten die Entscheidung des Stuttgarter Kultusministers, die Öffentlichkeit über die Medien vor einem Amoklauf zu warnen, für falsch. Warum?
Weil sie ein Riesenchaos und große Ängste ausgelöst hat. Außerdem sind dadurch die Ermittlungen der Polizei schwieriger geworden. Man weiß immer noch nichts über den Urheber der Drohung. Der ist jetzt eindeutig im Vorteil, er ist gewarnt, hockt irgendwo und reibt sich die Hände.
Welche Strategie wäre besser gewesen?
Ich hätte die Schulleiter diskret informiert und möglichst viele zivile Beamte zur Gefahrenabwehr als verdeckte Ermittler in die Schulen geschickt.
Um den Amokläufer im letzten Moment abzufangen? Das wäre doch riskanter gewesen.
Ich sehe da kein höheres Risiko, ich hätte ebenfalls die komplette Polizei aufgeboten, Baden-Württemberg kann bis zu 15.000 Beamte los schicken. Außerdem: Glauben Sie, mit dem gestrigen Einsatz wäre die Tat wirklich zu vermeiden gewesen? Ich bin sicher, ich hätte es trotzdem geschafft, am Nikolaustag mit einer Waffe in eine Schule reinzukommen. Sie glauben doch nicht, dass alle 4000 Schulen lückenlos überwacht werden können.
Verdeckte Ermittler in allen Schulen wären irgendwann auch aufgefallen.
Ja, aber viel später. Und wir hätten die Chance gehabt, den Täter zu schnappen. Jetzt aber sind wir in einer dummen Ungewissheit. Wir wissen nicht, meint der es wirklich ernst oder ist es ein Spinner, kommt er jetzt oder schlägt er erst in zwei, drei Wochen zu.
Hatten Sie schon mal einen Fall wie diesen?
Nein, solche Unwägbarkeiten hatten wir noch nie. Es gab zwar immer mal wieder Drohungen, aber immer gegen eine konkrete Schule, nie so undefiniert gegen ein ganzes Bundesland.
Es gibt jetzt immer mehr Trittbrettfahrer. Steigt die Gefahrenlage an den Schulen?
Ich zweifle, ob es überhaupt ein echte Gefahrenlage gibt. Aber durch das Internet gibt es ungeahnte Möglichkeiten, die Menschen jeden Tag in eine neue Hysterie zu versetzen. Bombendrohungen von Schülern gegen ihre Schule gab es ja früher auch schon. Bloß erregten die kein großes Aufsehen. Heute schreibt einer einen Satz ins Internet, und schon ist die Nation in heller Aufregung.
Was können wir also aus dem Beispiel Baden-Württemberg lernen?
Dass man es nicht so machen soll. Wir werden in den nächsten vier Wochen nichts anderes zu tun haben, als Schulen zu bewachen. Denn wenn man die Drohung ernst nimmt, muss man ja davon ausgehen, dass er es jederzeit machen könnte.