"Raus aus unserer Stadt" schreit ein am Kühlergrill eines Trucks angebrachtes Plakat in Großbuchstaben. Es ist nur eines von vielen Bildern aus dem kanadischen Örtchen Richmound, die Medien am Sonntag veröffentlichen.
Die Botschaft der Richmounder ist klar, doch ist sie tatsächlich kein Ausdruck offener Fremdenfeindlichkeit. Vielmehr richtet sich die Wut der rund 150 Einwohner des kanadischen Dörfchens im Südwesten der Provinz Saskatchewan auf eine bestimmte Person: Romana Didulo. Die meisten sehen in der 48-Jährigen die Anführerin einer absurden Sekte mit Nähe zu rechtsextremen Verschwörungsideologie QAnon. Sie selbst sieht sich freilich ganz anders: als die Königin von Kanada.
Für die Richmounder steht jedenfalls fest: Sie soll weg, die selbsternannte Majestät. Doch ist sie offenbar gekommen, um zu bleiben.
Kanadas "Königin" hält Hof in einer verlassenen Schule
Seit einer Woche residieren die bisherigen Nomaden Medienberichten zufolge mit 15 bis 25 Leuten in Richmound. In dem von einem Meer aus Feldern umgebenen Fleckchen haben sie sich offenbar ungefragt in der verlassenen Dorfschule einquartiert – sehr zum Missfallen der Anwohner. "Es ist der einzige Ort im Dorf, an dem es einen Spielplatz gibt und an dem die Kinder sicher mit ihren Fahrrädern fahren können, weit weg von der Autobahn", zitiert die BBC den Lokalreporter Thomas Fougere. Der Journalist sei mehrfach bedroht worden, seit er über die Gruppe berichte.
Wie ernst es den Richmoundern ist, zeigten sie am vergangenen Sonntag, als ein Großteil der Gemeinde mit Plakaten bewaffnet in Traktoren, Trucks und Pickups gegen den Verbleib von Didulo und ihrem Hofstaat vorgingen. Doch die ungebetenen Gäste ließen sich davon offenbar wenig stören.
Dass sich die Verschwörungstheoretiker auf diese Art vertreiben lassen, das hatten die Bewohner von Kamsack nur wenige Tage zuvor bewiesen. Hunderte waren in der rund 700 Kilometer entfernten Kleinstadt ebenfalls gegen Didulo und ihre Gruppe auf die Straße gegangen – erfolgreich. Die Polizei eskortierte die Nomaden schließlich aus der Stadt.
Ob den Richmoundern ein ähnlicher Sieg gelingt, ist fraglich. "Es ist zu einer hochspannenden Situation geworden", so Fougere. Didulo suche bereits nach Handwerkern für Bauprojekte, einige Anhänger sollen bereits via Telegram angekündigt haben, nach Richmound zu reisen. Der BBC zufolge können die Bürger selbst wenig gegen die Didulo und ihre Anhänger tun, solange sie nicht gegen das Gesetz verstoßen. Das Land, auf dem sie sich eingerichtet haben, sei im Privatbesitz, was es den Behörden schwer machen dürfte, sie umzusiedeln.
Eine philippinische Einwanderin wird zur Kultführerin
Didulo, die als Jugendliche von den Philippinen nach Kanada kam, sorgt nicht zum ersten Mal für Schlagzeilen. Die Verschwörungstheoretikerin reist mit ihren Anhängern seit Jahren durchs Land, vornehmlich per Wohnmobil. Bis vor kurzem campierten sie abseits der Zivilisation. Das soll sich nun womöglich ändern.
Didulo gründete mehrere Unternehmen, bevor sie 2020 ihre eigene Partei gründete, die "Canada 1st Party". Damit wiederum zog sie vor allem Vertreter der teils rechtsextremen Verschwörungsideologie QAnon an. In der Folgezeit schwang sie sich zur Anführerin ihres eigenen Personenkultes auf und behauptete Berichten zufolge, dass sie eigenhändig die kanadische Regierung gestürzt und nun Anspruch auf den Titel der Königin Kanadas habe – schließlich werde sie von einer geheimen, mächtigen US-Organisation unterstützt. Vergangenes Jahr nahm sie mit ihrer Gruppe an Protesten teil, wobei sie unter anderem versuchten, Polizisten zu verhaften – die Beamten hätten "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen.
Auf der mehrsprachigen Website ihrer Gruppe "Königreich von Kanada" reklamiert sie für sich die Titel der Oberbefehlshaberin, Regierungschefin und nationalen Anführerin der Indigenen. Außerdem präsentiert sie ihre eigene Staatsflagge (ein durch ein goldenes Schwert geteiltes, weißes Ahornblatt auf violettem Grund) und ruft zu Spenden auf.
Didulo erlässt per Telegram "königliche" Dekrete – und stürzt Anhänger ins Unglück
Auf Telegram folgen ihre Tausende. Didulo nutzt ihre Reichweite nicht nur zur Verbreitung von Verschwörungsmythen, in denen sie unter anderem behauptet, Ex-US-Präsident Donald Trump führe einen ominösen Krieg gegen eine geheime Elite von Satansanbetern. Auch rief sie angeblich dazu auf, Menschen zu erschießen, die Kindern Corona-Impfungen verabreichen. Sie selbst droht ihren Gegnern offenbar mit Hinrichtungen. "Dies ist nicht unbedingt eine Gruppe harmloser Menschen. Wir sprechen hier von einer Sekte", sagte Evan Balgord, Geschäftsführer einer NGO, die extremistische Gruppen überwacht, gegenüber der CBC.
In ihrer Funktion als "Königin" bietet sie ihren Anhängern auch andere Dienstleistungen. So will sie ihren Follower unter anderem "per Dekret" alle Rechnungen und Schulden erlassen haben. Für einige ihrer Anhänger, die Didulos vermeintliche Befugnisse allzu ernst nahmen, hatte das ernsthafte Konsequenzen. Sie verloren teils sogar ihre Häuser, erklärt Extremismus-Expertin Christine Sarteschi von der Chatham University in Pittsburgh der BBC.
Quellen: BBC; CBC; CTV News; "Sask Today”