Verhaftung nach mehr als 20 Jahren Zuhälter "Wiener Peter": Der Mann, der die Killer auf den Kiez holte

Der Kiez-Zuhälter "Wiener Peter" Nusser
Er war einer der berüchtigtsten Zuhälter auf dem Hamburger Kiez: Peter Nusser, genannt "Wiener Peter"
© Screenshot Dokumentation NDR
Nach mehr als 20 Jahren wurde der auf dem Kiez als "Wiener Peter" bekannte Peter Nusser am Sonntag in Frankfurt festgenommen. Er galt als einer der berüchtigtsten Figuren des Hamburger Rotlichtmilieus. 

Die Bundespolizei hat am Sonntag am Frankfurter Flughafen einen ehemaligen Hamburger Zuhälter bei seiner Einreise festgenommen. Peter Nusser, im Milieu bekannt als der "Wiener Peter", wurde 1990 wegen mehrerer Auftragsmorde zu lebenslanger Haft verurteilt. 2000 setzte die Justiz die weitere Vollstreckung der Haft aus – Nusser wurde in sein Heimatland Österreich abgeschoben. Mit der Einschränkung, dass er bei Wiedereinreise nach Deutschland auch die restliche Strafe absitzen muss. Genau das soll jetzt passieren, wie die Behörden mitteilten. 

Wer war der Mann, der die "goldene Zeit" auf St. Pauli mit kaltblütigen Auftragsmorden beendete?

"Wiener Peter": Als die Killer auf den Kiez kamen

Zeitsprung: Im St. Pauli der 1970er Jahre laufen die Geschäfte gut. Der Kiez ist auf zwei Zuhälter-Gruppen aufgeteilt. Die GMBH, bestehend aus Gerd Glissmann, Michael Luchting, Walter "Beatle" Vogeler und Harry Voerthmann, kontrolliert die eine Hälfte von St. Pauli. Die Nutella-Bande, bestehend aus bis zu acht jüngeren Zuhältern, die andere Hälfte. 

Beide stehen in Rivalität zueinander, sie bekriegen sich aber nicht. Mitte der 70er Jahre erreicht das Geschäft mit dem Sex seinen Höhepunkt. Der ehemalige Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger erklärte in einer Dokumentation des NDR: "Man redet, dass am Wochenende etwa 150.000 D-Mark zur Verteilung auf dem Tisch lagen."

Ein großer Kuchen, von dem auch Peter Nusser ein Stück abhaben möchte. Der aus Kärnten in Österreich stammende Ex-Kellner kommt nach Hamburg und schwingt sich schnell zu einer der reichsten und mächtigsten Figuren im Milieu auf. Zusammen mit einer eigenen Organisation, der "Chikago Bande" geht er deutlich radikaler und brutaler vor als seine Kontrahenten. 

So konnte er mit seinem Partner Fritz Schroer, genannt "Chinesen-Fritz" eine Etage im Großbordell "Palais d’amour" erringen, in der mehrere Frauen für ihn arbeiteten.

"Die weiße Dame hat einen richtigen Flurschaden hinterlassen"

Anfang der 1980er Jahre aber brechen die Geschäfte im Rotlicht ein. Die Menschen haben Angst vor Aids – die Bordelle bleiben leer, die Straßenprostituierten haben ebenfalls kaum etwas zu tun. Die Zuhälterbanden gleichen ihren Verdienstausfall anderweitig aus, mit dem Verkauf von Kokain. Das weiße Pulver ist zu dieser Zeit die Modedroge schlechthin. 

Aber nicht nur ihre Kunden, sondern auch einige Zuhälter werden abhängig. Auch der Geschäftspartner des "Wiener Peter", Fritz Schroer, erliegt der "weißen Dame" wie sie im Milieu genannt wird.

"Das Kokain hat hier fast alles kaputt gemacht", erklärte Thomas Born, genannt "Karate-Tommy" später dem NDR. Die weiße Dame habe einen regelrechten Flurschaden auf St. Pauli hinterlassen – bei allen, so das ehemalige Mitglied der "Nutella-Bande". 

Schroer wird unzuverlässig, paranoid. Schließlich will er aus dem Rotlicht-Business aussteigen, seine Frauen und sein Geld aus dem "Palais d'amour" herausziehen. Das kann der "Wiener Peter" nicht hinnehmen. 

"Vom Wiener trennt man sich nicht. Vom Wiener wird man getrennt."

Am 28. September 1981 bestellt er Schroer in die Szene-Kneipe "Zur Ritze" unter dem Vorwand, man habe etwas zu besprechen. Als Schroer den Laden betritt, räumt der "Wiener Peter" ihm einen Barhocker frei. Sekunden später tritt ein Auftragsmörder an Schroer heran. Es fallen drei Schüsse. Schroer ist auf der Stelle tot. Seine Geschäftsanteile "erbt" der "Wiener Peter" Nusser. Bis heute ist die Tat nicht gänzlich aufgeklärt.

Es ist der erste Mord im Rotlicht-Milieu. Mit "Chinesen Fritz" wird auch der alte St-Pauli-Kodex begraben. Die Zeiten, in denen die schweren Jungs Probleme unter sich regeln – ohne Waffen – sind vorbei. Auf dem Kiez wird getuschelt: "Vom Wiener trennt man sich nicht. Vom Wiener wird man getrennt."

Es ist eine Erfahrung, die noch weitere Zuhälter machen werden. Im Oktober 1982 streiten sich zwei Prostituierte im Großbordell "Eros Center". Eine von ihnen kassiert ein blaues Auge. Ihr Zuhälter Angie Becker von der Nutella-Bande fordert zusammen mit zwei Kumpanen 2000 D-Mark Verdienstausfall. Sie fahren in den Salon der Gegenseite. 

Am Ende des Abends liegen Becker und sein Partner Klaus Breitenreicher, genannt "SS-Klaus", weil er Kampfschwimmer bei der Bundeswehr war, erschossen am Boden. Nur drei Tage später beerdigt das Milieu das "M" der "GMBH". Der "schöne Mischa" Michael Luchting hatte sich in seinem Haus in der Nähe von Hamburg-Harburg erhängt. Gerüchte werden laut, jemand habe mit einer Schrotflinte unter ihm gestanden, als er sprang. Aufgeklärt wurde auch dieser Fall nicht.

Die Sache mit "Mucki"

1984 lernt der "Wiener Peter" den Mann kennen, der später als "St. Pauli-Killer" Schlagzeilen machen wird: Werner "Mucki" Pinzner. Pinzner sitzt zu dieser Zeit eine zehnjährige Haftstrafe ab, weil er bei dem Überfall eines Supermarktes beteiligt war, bei dem ein Angestellter erschossen wurde. Seine letzten Monate der Strafe verbüßt er im offenen Vollzug. 

Schon während seiner Zeit im Gefängnis knüpft er Kontakte zu Rotlichtgrößen. Nun will er sich als Auftragsmörder einen Namen auf dem Kiez machen. 

Beauftragt von Nusser fährt Pinzner am 7. Juli 1984 nach Kiel und erschießt dort einen ehemaligen Bordell-Betreiber, der versucht hatte, andere Zuhälter zu erpressen. Drei Tage später wird Pinzner als resozialisiert aus der Haft entlassen. Er kassiert 30.000 D-Mark Killer-Lohn.  

Kurze Zeit später hat Nusser den nächsten Auftrag für Pinzner. Ähnlich wie auch Fritz Schroer war der Zuhälter Peter Pfeilmeier, genannt "Bayern-Peter" im Drogenrausch unzuverlässig geworden. Er hatte in seinem eigenen Bordell mehrfach Freier verprügelt und wollte nun seine Anteile aus dem Etablissements ziehen. 

Pinzner bietet dem drogenabhängigen Pfeilmeier einen angeblichen Kokain-Deal an, fährt unter diesem Vorwand mit ihm auf einen abgelegenen Parkplatz im Nordosten Hamburgs und erschießt ihn. 

Doch damit nicht genug. Nusser will nun gänzlich unabhängig von seinen Geschäftspartnern werden und schickt Pinzner nach München. Dort tötet er einen weiteren Kompagnon des "Wiener Peter": Dietmar Traub, genannt "Lackschuh-Dieter", stirbt auf einem Waldweg. Das Vermögen von "Lackschuh-Dieter" fällt an Nusser. Er ist nun endgültig einer der größten Figuren auf dem Hamburger Kiez.

Das Ende des "Wiener Peter"

Seine Expansion weckt Begehrlichkeiten. Im Frühjahr 1985 bekommt Nusser Besuch von drei Zuhältern im "Palais d'amour", sie fordern Anteile an dem Großbordell. Nusser lehnt ab und wird vor den Augen seiner Prostituierten zusammengeschlagen. Eine Demütigung, die der "Wiener Peter" nicht hinnehmen kann. Er beauftragt Pinzner, die Drei zu ermorden – für eine Pauschale von 60.000 D-Mark. 

An Ostern 1985 soll eine Besprechung zwischen ihnen im Haus von Waldemar Dammer stattfinden, einer der Zuhälter, die Nusser zusammengeschlagen hatten. Die anderen beiden fehlen zwar, Pinzner tötet Dammer und einen weiteren Angestellten dennoch. 

Es sollten die letzten Auftragsmorde sein, die Pinzner begeht. Kurze Zeit später wird er verraten. Durch dutzende Razzien und Personenkontrollen findet die Polizei schlussendlich einen Zeugen, der Pinzner mit den Morden in Verbindung bringt. Er wird festgenommen. Im Verhör gesteht Pinzner später, "der Wiener war mein Chef". Bei einer Vernehmung erschießt er schließlich den Staatsanwalt Wolfgang Bistry, seine Frau und sich selbst. 

Kurz darauf wird auch der "Wiener Peter" festgenommen. In einem Gerichtsprozess schweigt er eisern. Im Februar 1989 wird er wegen schweren Raubes, gemeinschaftlich begangenen Mordes sowie Anstiftung und Beihilfe zum Mord zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. 

Bis ins Jahr 2000 sitzt er im berüchtigten Hamburger Gefängnis Fuhlsbüttel, genannt "Santa Fu", seine Strafe ab und arbeitet laut "Spiegel" in der Bibliothek des Gefängnisses und als Brotwagenfahrer. Anschließend wird er nach Österreich abgeschoben. Dort wird von einer Fortführung der Haftstrafe abgesehen. Wie später bekannt wird, zieht Nusser nach Ibiza und entwickelt laut eigenen Aussagen Apps für Handys.

Nun aber muss Nusser erneut ins Gefängnis. Er soll am 3. April auf einer Reise aus der Dominikanischen Republik nach Wien in Frankfurt zwischengelandet sein. Dies fiel bei einer Personenkontrolle auf. Der "Wiener Peter" wird also noch länger "im Urlaub" bleiben.

AnmerkungIn einer früheren Version des Textes hieß es, Nusser stamme aus Kufstein. Dies ist nicht richtig. Wir haben den Text dementsprechend angepasst.

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