Er ist noch nicht erschienen. Aber München steht Kopf. 120 Kanaldeckel zwischen Siegestor und Marienplatz sind gesichert und versiegelt worden. Männer in orangen Latzhosen haben an allen Fahrrädern, die hier abgestellt waren, die Schlösser geknackt, die Drahtesel fotografiert, auf Lkw geladen und abtransportiert. Die als Kunst am Boulevard getarnten unsäglichen Plastiklöwen und Blumenkübel aus Sichtbeton wurden evakuiert, was kaum jemand bedauert.
"Blut wegen Papst knapp"
Lediglich die Meldung "Blut wegen Papst knapp", hat die Münchner in ihrer Vorfreude auf den Besuch des Heiligen Vaters ein bisschen erschreckt. Das bayerische Rote Kreuz befürchtet, die Menschen könnten in diesen fast heiligen Tagen an vieles denken, nur nicht daran, Blut zu spenden, das jetzt schon knapp sei.´
Man muss allerdings auch eine gute Kondition haben, um Benedikt XVI. auch nur von fern zu sehen. "Im Münchner Nahverkehr wird Ausnahmezustand herrschen", verkündete ein Sprecher der Verkehrsbetriebe. Zahlreiche U-Bahnstationen wurden gesperrt. Darunter auch die tief unter dem Marienplatz, auf dem der Papst am Samstag vor der Mariensäule aus dem 17. Jahrhundert knien wird. Straßenbahnen bekamen neue Routen, Busse wurden umgeleitet.
Laufen für den Papst
Am Sonntag, wenn so um die 300.000 Besucher zur Papstmesse bei der "Neuen Messe" in München-Riem erwartet werden, fällt im Osten eine Art "eiserner Vorhang". Sogar der unmittelbare U-Bahnhof "Messestadt" wird gesperrt. Die Besucherströme sollen "entzerrt" werden, was für die Menschen Fußmärsche zwischen einem und neun Kilometer bedeutet. Den Weg weisen weiße Plakate mit der Aufschrift "Pilgerpfad". Ganze Scharen von Pfadfindern haben sich als freiwillige Helfer bei der Pilgerfahrt angekündigt, jederzeit zu einer guten Tat bereit.
Es ist verboten, Glasflaschen mitzubringen, auch Hunde, Hocker, Stühle und die beim Oktoberfestzug so bewährten Stehleitern. Selbst Kinderwagen müssen zu Hause bleiben, was mindestens fünf hochschwangere Frauen aber nicht davon abhalten konnte, schon im Vorfeld der päpstlichen Visite danach zu fragen, ob sie während der Messe niederkommen könnten und wie es mit der medizinischen Versorgung stünde. Es steht gut mit ihr.
Wenige Sitzgelegenheiten für erschöpfte Pilger
Sogar einige wenige Sitzgelegenheiten für erschöpfte Pilger gibt es. Doch die sollten, so hieß es bereits vor Wochen, auch wieder Platz machen für Nachrücker, was, wie Spötter stichelten, irgendwie an das Kinderspiel "Reise nach Jerusalem" erinnert. Bei den übrigen dringenden Bedürfnissen empfiehlt sich eine sehr große Geduld, trotz der Hundertschaften Dixiklos am Rande der Messe.
5000 Polizeibeamte, ein Heer freiwilliger Helfer und als Zivilisten verkleidete Schweizer Gardisten schützen das Oberhaupt der katholischen Kirche. Auf den Dächern entlang der Route des gepanzerten Papa-Mobils werden Scharfschützen postiert. Die Polizei verkündete ein "rigoroses Vorgehen im Fall von Beleidigungen Benedikts XVI". Die Einschreitschwelle der Beamten sei "niedrig".
Geschickt eingefädelt
Weil sich Münchens Polizei dabei nicht so sehr auf den für einen Papstbesuch nahe liegenden aber dehnbaren Paragraphen 166 (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen) verlassen will, bedient sie sich eines juristischen Kniffs. Der Papst, so argumentiert sie, sei nämlich auch als Oberhaupt des Vatikans, also ein Staatsgast in München, weshalb auch Paragraph 103 StgB (Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten) greife. Damit es nach diesem Paragraphen auch zu einem Verfahren kommt, müssten allerdings der beleidigte Staatsgast und die Bundesregierung Strafantrag stellen. Doch das "gibt es nie oder so gut wie nie", wie Staatsanwalt Michael Müller Reportern anvertraute. Dennoch sind die möglicherweise unfreundlichen Akte gegen Staatsgäste erst mal polizeilich beendet.
Zu spüren bekamen diesen vorauseilenden Gehorsam vor kurzem die Veranstalter einer schwul-lesbischen Parade anlässlich des Christopher-Street Days. Die hatten eine mit Kondomen dekorierte Papstpuppe auf einem Wagen. Sie wurde prompt von der Polizei beschlagnahmt. Nun warten Justiz und Schwule auf Anzeigen vom Vatikanstaat und der Bundesregierung.
Die Betreiber einer Münchner Disco wollen dennoch nicht darauf verzichten ihr "Pope-in-Town-Fest zu feiern. Mit Jungfrauen, Schampus und einem ungebetenen Aufpasser der zivilen Polizei, der nach möglicherweise juristisch verwertbaren Tatbeständen Ausschau hält.
Eindeutige Papst-Ansichten in München
In München sind die Ansichten über den Heiligen Vater aus dem Freistaat ziemlich eindeutig. Die überwältigende Mehrheit freut sich auf ihn und wer immer irgendwo mal mit dem Joseph Ratzinger zu tun hatte, fand für seine Erinnerungen dankbare Abnehmer.
Angefangen bei der Mesnerin Anni ("Er ist so hübsch und bescheiden"), bis hin zum ehemaligen Nachbarn Xaver Zeiser ("Als Bub war er ein tratzerter Teifi"). Die SPD bekam allerdings ein kleines Problem, weil eine Stadträtin auf parteiamtlichem Papier zu einer Demonstration gegen Benedikt XVI. aufrief - wegen seiner Ansichten zu Schwulen, Lesben und der Sexualität überhaupt. Der Bürgermeister und Parteigenosse Christian Ude war sofort empört und die Rätin bedauerte es inzwischen, für ihre private Meinung versehentlich den Briefkopf der Partei verwendet zu haben.
Benedikt regiert München
Am Wochenende ist also der Papst in München. Es soll regnen, sagt der Wetterbericht. Aber das macht nichts. Denn auch wer den Papst nicht leibhaftig sieht, sondern nur bei Bier und Knabberzeugs im Fernsehen von der Couch aus, wird, so ermittelte eine Münchner Boulevardzeitung, irgendwie reicher. Denn: Der päpstliche Segen wirke auch via TV.