"Blitz-Entführungen" Stunden der Angst

Tausende wohlhabende Rentner, unter ihnen zahlreiche Deutsche, genießen in Spanien ihren Ruhestand. Die organisierte Kriminalität hat die dazu passende Geschäftsidee entwickelt: die "Blitz-Entführung".

José G. hatte gerade in einem Café in Valencia gefrühstückt, als er auf der Straße von drei Männern abgefangen wurde. Mit vorgehaltener Pistole zwangen sie den 63-jährigen Unternehmer, sich an das Steuer seines Wagens zu setzen. Auf einer nahe gelegenen Orangenplantage nahmen sie ihm dann das Geld sowie die Kreditkarten ab und stecken ihn in den Kofferraum. Anschließend ging die Fahrt weiter.

In diesem Augenblick wurde dem Familienvater klar: Er war nicht nur Opfer eines Überfalls, sondern einer Entführung geworden. Doch er hatte Glück. Die Täter hatten sein Handy übersehen. Aus dem Kofferraum rief er seinen Sohn an, der die Polizei alarmierte. Wenig später konnte das Trio gestellt werden, der 63-Jährige kam mit dem Schrecken davon.

Stets gleicher Ablauf

Das Erlebnis von José G. ist längst kein Einzelfall mehr. Denn in Spanien breiten sich die so genannten Express-Entführungen aus, die in vielen Ländern Lateinamerikas wie etwa in Kolumbien seit langem zum Alltag gehören. Der Ablauf ist stets der gleiche: Die Täter bringen die von ihnen ausgespähte Person in ihre Gewalt und halten sie einige Stunden oder wenige Tage fest. In dieser Zeit zwingen sie das Opfer entweder, ihnen die Geheimnummern der Bankkarten zu verraten, um seine Konten leer zu räumen, oder erpressen von der Familie ein Lösegeld. Dieses wird absichtlich in Grenzen gehalten, um eine schnelle Zahlung zu garantieren. In der Regel geht es um Summen bis 50 000 Euro, berichtet die spanische Presse.

Allein in der Gegend um Valencia und Alicante an der Costa Blanca sind in den vergangenen Wochen sieben Fälle publik geworden. "Es ist lediglich die Spitze eines Eisbergs ungeahnter Ausmaße", schrieb die Zeitung "El Mundo". Auch der Mord an einem deutschen Geschäftsmann Mitte September bei Jàvea wird in diesem Zusammenhang genannt. Der 69-Jährige war in seinem Haus mit einer Rasierklinge zu Tode gefoltert worden - womöglich habe er sich den Forderungen widersetzt, heißt es.

Dass die "Express"- oder "Blitz-Entführungen" gerade an der Costa Blanca und in der Region Valencia florieren, ist kein Zufall, sagt die Polizei. Tausende nicht selten wohlhabende Rentner haben sich die Gegend in den vergangenen Jahren ausgesucht, um ihren Ruhestand unter der Mittelmeer-Sonne zu genießen. Unter ihnen sind Briten oder Deutsche ebenso wie viele Spanier. Dies lockte aber auch die organisierte Kriminalität an, etwa Mafiabanden aus Osteuropa. Zahlreiche Geschäftsleute in der Region hätten inzwischen Leibwächter angeheuert, heißt es.

"Geben Sie mir bitte das Geld. Frau entführt"

Zu den Opfern zählte auch ein britisches Rentnerpaar in Alicante. Während die Frau von zwei Entführern festgehalten wurde, ging ein dritter mit dem Mann zur Bank. "Geben Sie mir bitte das Geld. Frau entführt.", hatte dieser auf die Rückseite des Schecks über 36 000 Euro gekritzelt. Der Kassierer reagierte geschickt und alarmierte diskret die Polizei - auch dieser Fall hatte ein glückliches Ende.

Das ist aber nicht immer so. Im nordostspanischen Sitges an der Costa Dorada war Mitte Oktober die Leiche einer zwei Wochen zuvor verschleppten Psychologin entdeckt worden. Die 53-Jährige wurde erschlagen. Die Polizei vermutet, dass sie sich gegen ihre Entführer heftig gewehrt hat.

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Jörg Vogelsänger/DPA

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