Wer im Untergrund lebt, sollte keine Spuren hinterlassen – diese Grundregel hat Daniela Klette nach Jahrzehnten auf der Flucht offenbar vernachlässigt. Die nun festgenommene Ex-RAF-Terroristin betrieb seit mindestens 2011 einen Facebook-Account, gab Details aus ihrem Leben und sogar Fotos von sich einer weltweiten Öffentlichkeit preis. Das Verifikationsteam von stern und RTL hat das Profil soweit möglich überprüft. Inwiefern die Social-Media-Präsenz der 65-Jährigen den Ermittlern half, auf ihre Spur zu kommen, ist unklar. Doch das Profil gibt einen Einblick in Klettes Leben – das sich so gar nicht im Untergrund abzuspielen schien.
Daniela Klettes Hobby war Capoeira
Die Ex-RAF-Terroristin zeigt sich unter anderem bei einem Ausflug an einem Fluss, in Sportschuhen und mit Rucksack. Generell scheint sie sich in den vergangenen Jahrzehnten gerne in der Natur aufgehalten zu haben. Ihre Schnappschüsse zeigen eine schneebedeckte Wiese, Gewässerlandschaften, Kirschbäume, einen Sandstrand, Fliegenpilze, Blumen – unverfängliche Fotos.
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Leichtsinniger wirken hingegen Aufnahmen, die Klettes Gesicht zeigen, teils im Kreise von anderen Menschen und mutmaßlich mitunter in Lateinamerika aufgenommen. Ein "Bellingcat"-Journalist war für den ARD-Podcast "Legion" im vergangenen Jahr mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware und weiterer Recherchen bereits auf das Profil gestoßen, das Klette unter ihrem Tarnnamen betrieb. Etliche Fotos zeigen sie im Kreise einer Capoeira-Gruppe. Doch bei einem Besuch der Gruppe in Berlin sagte der Trainer, er wisse seit Jahren nicht, wo sich seine frühere Teilnehmerin inzwischen aufhalte. Die Spur des Podcast-Teams verlief ins Leere. Ob auch die Behörden diesem Hinweise nachgegangen sind, ist nicht bekannt.

Auch das öffentlich einsehbare Facebook-Profil Klettes verrät nicht, wo genau sie sich all die Jahre aufgehalten hat, geben aber Hinweise auf einen Bezug zur Hauptstadt. Stattdessen Dutzende Terminankündigungen für Afro-brasilianische Kulturfestivals, Werbung für Capoeira-Kurse und Auftritte von Tanzgruppen. Klette scheint in der brasilianischen Kampfkunst ein Hobby gefunden zu haben. Ob sie es zuletzt noch ausgeübt hat, ist offen. Der letzte Facebook-Beitrag mit Capoeira-Bezug wurde im September 2019 veröffentlicht. Der letzte Beitrag überhaupt erschien vor rund einem Jahr.
Die Social-Media-Präsenz könnte für die Polizei ein kleines Mosaiksteinchen sein, um herauszufinden, wo sich Klette in den vergangenen Jahrzehnten aufgehalten hat. Denn das wissen die Ermittler noch nicht – ebenso wenig, welche Unterstützer die frühere RAF-Frau hatte. Wichtiger dürfte jedoch sein, dass Klette selbst aussagt. Doch auch das ist ungewiss. Fast alle früheren RAF-Mitglieder hielten sich nach ihren Festnahmen an das Credo der Terrorgruppe: "Rede nicht mit Bullen." Bislang hat Klette keine Angaben zur Sache gemacht.
Für mehr als 30 Seiten hat Klette bei Facebook den "Gefällt mir"-Daumen verteilt, zum Beispiel für Kultur- und Integrationsprojekte, die "Taz", die Rosa-Luxemburg-Stiftung – auch alles unauffällig. Ein Like gab die Ex-RAF-Terroristin der Seite "Karma fickt jeden, auch dich." Klette sitzt jetzt in Untersuchungshaft.
Quellen: Facebook, Podcast "Legion", Nachrichtenagentur DPA