Daschner-Prozeß "Wir können alles mit Dir machen"

Wolfgang Daschner steht vor Gericht, weil er als Polizist einem Verdächtigen Gewalt angedroht haben soll. Nun hat dieser Verdächtige, Magnus Gäfgen, die Folter-Vorwürfe wiederholt.

Der Entführer und Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler hat nach der Gewaltandrohung im Polizeigewahrsam eigenen Worten zufolge um sein Leben gefürchtet. "Ich hatte wirklich Angst, da nicht mehr lebend rauszukommen", sagte der 29-jährige Magnus Gäfgen. Als Zeuge im Prozess gegen den 51-jährigen Beamten und den früheren Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner wiederholte der Ex-Jurastudent vor dem Landgericht am Donnerstag die Vorwürfe gegen Daschner.

Am 1. Oktober 2002 sei er mit dem angeklagten Beamten allein in einem Dienstzimmer gewesen. Er habe mit dem Rücken zur Wand gesessen. Der Polizist sei dicht an ihn herangerückt, habe Fragen gestellt und erklärt, man wisse, dass Jakob tot sei, und er solle endlich sagen, wo er die Leiche versteckt habe. Man könne ihm sonst Schmerzen zufügen, die er noch nie zuvor erlebt hätte und die keine Spuren hinterließen. Er habe ihn darauf hingewiesen, dass er sich nicht vorstellen könne, welche Unfälle im Polizeigewahrsam passieren könnten. "Hier wird Dir keiner helfen, wir können alles mit Dir machen", so Gäfgen über die Drohung des Beamten.

Außerdem könne man Gäfgen mit "zwei großen Negern" in eine Gefängniszelle sperren, die sich an ihm sexuell vergehen würden, sagte Gäfgen. Der Kriminalbeamte sei laut und bedrohlich geworden, habe ihn an die Schulter gefasst und ein Mal mit der flachen Hand auf den Brustkorb geschlagen.

Auf die Frage, warum er so lange geschwiegen hatte, antwortete Gäfgen: "Ich wusste, dass der Junge tot ist, von daher haben die Appelle nichts gebracht." Er sei zu ängstlich und zu feige gewesen, seine Schuld zuzugeben.

Der mitangeklagte Kommissar Ortwin Ennigkeit hatte bestritten, Gäfgen überhaupt mit Gewalt gedroht zu haben. Ein Kriminalbeamter sagte als Zeuge, als Ennigkeit ihm von der Gewaltandrohung gegen Gäfgen berichtet habe, sei er "perplex" gewesen. Diese Methode sei in seiner Vorstellungswelt nicht vorhanden. Ennigkeit hatte auch die Aussage Gäfgens über die Drohung mit zwei "Negern" bestritten.

Daschners Verteidiger versuchten, Gäfgens Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen, indem sie ihm frühere Lügen vor Gericht und bei Vernehmungen vorhielten. Gäfgens Anwalt dagegen nannte die Aussage seines Mandanten glaubwürdig. Gäfgen sprach mit fester Stimme und flüssig, während er im Mordprozess im vergangenen Jahr häufig weinerlich und selbstmitleidig aufgetreten war. Nach Angaben seines Verteidigers studiert er im Gefängnis mittlerweile an einer Fernuniversität Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft. In Karlsruhe ist noch eine Verfassungsbeschwerde des 29-Jährigen anhängig.

Daschner ist wegen Verleitung zur schweren Nötigung unter Missbrauch seiner Amtsbefugnisse und seiner Stellung als Amtsträger angeklagt. Er hatte angeordnet, dem nach der Übergabe von einer Million Euro Lösegeld festgenommenen Gäfgen unter ärztlicher Aufsicht und vor laufender Videokamera Schmerzen zufügen zu lassen, und die Beschaffung eines Wahrheitsserums angeordnet. Daschner hat sich dagegen auf den im hessischen Polizeigesetz erlaubten "unmittelbaren Zwang" berufen.

Der Prozess wird Anfang Dezember fortgesetzt. Das Urteil wird für den 20. Dezember erwartet.

AP · Reuters
AP/Reuters

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