Entführte Madeleine Welche Kinderschänder-Ringe?

Die portugiesische Polizei hat im Fall der kleinen Madeleine zwar einen Verdächtigen ausgemacht, schweigt ansonsten aber. Diese Ruhe heizt die Gerüchteküche an: So soll etwa ein Kinderschänder-Ring hinter der Tat stecken - doch beim BKA weiß man nichts von solchen Organisationen.

War es ein Kinderschänderring? Was es Rache an der Familie? Was ist mit dem Hotelnachbarn, dass so urplötzlich abgereist sind? Was haben die auffallend neugierigen Männer im Sinn gehabt, die stundenlang kleine, blonde Mädchen in der Gegend beobachtet haben? Im Fall des entführten Mädchens Madeleine kocht die Gerüchteküche über.

Seit am Donnerstag, den 3. Mai, die vierjährige Madeleine, von allen Maddy genannt, aus einem Hotelzimmer im portugiesischen Ferienort Praia da Luz verschwunden ist, häufen sich die Fragen. Nur Antworten sind nicht in Sicht. Immerhin hat die Polizei nun endlich einen ersten Fahndungserfolg zu verbuchen. Man habe eine verdächtige Person ausmachen können, heißt es bei den portugiesischen Ermittlern.

Laut des britischen Senders BBC handelt es sich um den 35-jährigen Engländer Robert Murat. Der Sohn einer Britin und eines Portugiesen hatte sich direkt nach Madeleins Verschwinden den Ermittlern als Übersetzer angedient. Dadurch sei er von Anfang an mit dem Stand der Ermittlungen vertraut gewesen, schreibt die Nachrichtenagentur PA.

Nun soll der Mann durch Hinweise einer Londoner Boulevardreporterin unter Verdacht geraten sein. Sie hatte ihn bei der Polizei angezeigt, weil er anderen Reportern gesagt haben soll, er habe in England eine vierjährige Tochter, die der entführten Madeleine ähnlich sehe. Besonders schwerwiegend klingen diese Vorwürfe nicht.

Sich selbst bezichtigen, hat auch Vorteile

In Portugal allerdings können sich Bürger sich selbst als Verdächtigen bezichtigen, was für sie unter anderem den Vorteil hat, dass sie nur noch in Anwesenheit eines Anwalts aussagen brauchen. Vielleicht aber hat die dortige Polizei auch einfach nicht alles nach draußen gegeben, was sie weiß.

Ein Umstand, der in den vergangenen zwei Wochen für allerlei wilde Spekulationen geführt hat. Vor allem in der britischen Presse. Dieses selbstauferlegte Schweigegelübde der portugiesischen Polizei hat Tradition. Zu allen laufenden Ermittlungen bestätigt sie nichts und dementiert nichts. Der verschlossene Umgang mit der Öffentlichkeit ist ein Erbe aus Zeiten der Diktatur, als die Polizei mit Hilfe der Presse versucht hatte, sich unliebsamer Regimekritiker zu erledigen.

Und wo es, wie im Fall Maddy, an handfesten Informationen mangelt, schießen Gerüchte gerne wild ins Kraut. So bestätigt das Bundeskriminalamt (BKA) noch nicht einmal die Existenz so genannter Kinderschänderringe. "Wir haben keine Erkenntnisse über Kindes-Entführungen durch "Pädophilen-Ringe" oder andere kriminellen Organisationen", sagt eine BKA-Sprecherin zu stern.de. Überhaupt seien ihr auch keine ähnlichen Fälle wie der von Madeleine McCann bekannt. Ausnahme: Der Fall Marc Dutroux. Der Belgier wurde wegen Entführung, Vergewaltigung und Mord an mehreren Kindern verurteilt. Bis heute sind seine angeblichen Verbindungen zu Kinderschänder-Ringen nie aufgeklärt worden.

Das Internet hat viel verändert

Dass es diese organisierten Bande geben soll, davon ist der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, überzeugt. Angeblich hätten sich die Pädophilen vor allem dank des Internets gut vernetzen können. "Das hat viel verändert", sagt zu stern.de. Mehr kann oder will auch er nicht sagen.

Auch über in Deutschland entführte Kinder gibt es kaum greifbare Zahlen. Dem BKA liegen keine solcher Fälle vor, und Hilger schätzt, dass es deutlich weniger als 1000 sind. Wenn überhaupt. "Es könnten auch nur 20 sein", so der Kinderschutzbund-Chef. Hilger aber legt Wert darauf, dass man den Eltern der vermissten Maddy keine Vorwürfe machen könne: "Nach allem was ich weiß, haben die beiden ihrer Sorgfaltspflicht genüge getan. Und einen 1000prozentigen Schutz gibt es eben nicht."

PRODUKTE & TIPPS