Im Januar 1991 alarmiert eine junge Frau unter Tränen eine New Yorker Polizeistreife und behauptet, von drei Männern unter Vorhaltung eines Messers in einem Auto verschleppt und mehrfach vergewaltigt worden zu sein. Alle drei Angreifer identifiziert sie namentlich. Wenig später nimmt die Polizei zwei davon fest, einer wird nicht gefasst. Die beiden Beschuldigten, Gregory Counts und VanDyke Perry, damals 19 und 21 Jahre alt, werden des Verbrechens angeklagt. Es gibt keine physischen Beweise gegen die beiden Angeklagten, kaum Indizien für ihre Schuld, lediglich die Aussage des Opfers, einer Drogenabhängigen. Die Verteidigung versucht mehrfach, die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin in Zweifel zu ziehen, letztlich erfolglos. 1992 spricht eine Jury Counts und Perry der Vergewaltigung, Sodomie und Freiheitsberaubung schuldig. So berichtet es die "New York Times".
An diesem Montag, knapp 26 Jahre nach der Verurteilung, entlastete ein New Yorker Richter Counts und Perry nachträglich von den damaligen Vorwürfen. Das berichten mehrere US-Medien übereinstimmend. Perry saß elf Jahre im Gefängnis, ehe er auf Bewährung freigelassen wurde. Counts verließ die Justizvollzugsanstalt erst im vergangenen Jahr. "Am Ende des Tages wird nichts diesen beiden Männern die Jahre abseits ihrer Familie, die Jahre, die sie im Gefängnis verbrachten, zurückgeben", sagte der Richter, als er beide freisprach.
Hätten die Zweifel an der Vergewaltigung bereits früher kommen können?
Dabei hätte den Strafverfolgungsbehörden womöglich bereits 1991 auffallen können, dass bei diesem Fall etwas nicht stimmte. So hatte das angebliche Opfer ein klares Motiv, die Männer zu Unrecht zu beschuldigen. Ihr damaliger Freund verkaufte der "NYT" zufolge gemeinsam mit Perry, Counts und einem Dritten Drogen. Laut Gerichtsunterlagen griffen die drei wenige Monate vor der angeblichen Vergewaltigung den Freund der Frau in deren gemeinsamer Wohnung an, weil dieser Schulden bei ihnen gemacht hatte. Kurz darauf sei dort eingebrochen worden, und die Frau habe gegenüber der Polizei die drei Männer als Täter vermutet. Unmittelbar vor der Anzeige habe ihr Freund Perry zudem bei einer Auseinandersetzung mit einer Schusswaffe verwundet. Seitdem sei er von der Polizei gesucht worden.
Die Verteidigung versuchte während des Prozesses der "NYT" zufolge immer wieder auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen und die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin in Frage zu stellen. Ihre Geschichten hätten während der Befragungen häufig variiert, zudem habe sie ihren Freund vor einer Strafverfolgung schützen wollen.
DNA-Spuren entlasten Counts und Perry
Dennoch dauerte es viele Jahre und bedurfte der Initiative des "Innocence Project" (engl. Unschuld-Projekt), um die beiden Männer zu entlasten. Die in den USA bekannte Organisation, die sich für möglicherweise zu Unrecht inhaftierte Bürger einsetzt, beantragte laut "NYT" 2012 Zugang zu den damals in der Unterhose der Frau gefundenen Sperma-Spuren. 2015 habe sich ein DNA-Treffer in der FBI-Datenbank gefunden: ein Mann, der 2011 mit rund 60 Jahren gestorben war. Nach mehrfacher erneuter Befragung durch Ermittler habe die Frau dann letztlich zugegeben, sich die Vergewaltigung 1991 nur ausgedacht zu haben. Sie habe damals starke Drogenprobleme gehabt, ihr Freund habe sie dazu gezwungen und sie werde seitdem von ihrer Tat verfolgt.
Counts und Perry hilft das nur bedingt. Beide gehen auf die 50 zu, Counts saß bis vor Kurzem hinter Gittern, Perry hatte laut "NYT" lange Jahre Probleme, einen ordentlich Job zu finden. Schließlich war er als vorbestrafter Sex Offender in entsprechenden Datenbanken auffindbar. "Diese unrechtmäßige Verurteilung hat mein Leben zerstört, sagte Perry am Montag. Nach seiner Entlassung zu Beginn des Jahrtausends habe er geheiratet und mittlerweile sechs Kinder. Durch Jobs in Bau- und Gärtnerbetrieben unterstütze er seine Familie. Auch Counts habe seit seiner Entlassung im vergangenen Jahr große Schwierigkeiten, gute Arbeit zu finden. Dennoch hat er mit dem Unrecht abgeschlossen, das ihm angetan wurde. "Ich kann nicht wütend sein", sagt er mit Blick auf die Frau, die ihn beschuldigte. "Wenn ich auch nur eine Minute wütend verbringe, verschwende ich meine Zeit."
