Halberstadt-Prozess Nur der Haupttäter soll ins Gefängnis

Der Hauptverdächtige des rechtsextremistischen Überfalls auf eine Gruppe Halberstädter Theaterschauspieler soll wegen gefährlicher Körperverletzung in Haft. Die drei Mitangeklagten sollen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft freigesprochen werden: Ihnen konnte keine konkrete Tat zugeordnet werden.

Im Prozess um den Überfall Rechtsextremer auf Theaterschauspieler in Halberstadt haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung für nur einen der vier Angeklagten eine Strafe beantragt. Für den 23 Jahre alten Hauptangeklagten Christian W., der als einziger seine Beteiligung am Überfall zugegeben hatte, forderte der Staatsanwalt zweieinhalb Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung. Sein Verteidiger plädierte auf zwölf Monate Haft wegen einfacher Körperverletzung. Die drei Mitangeklagten sollen nach Ansicht von Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung freigesprochen werden: Ihnen konnte keine konkrete Tat zugeordnet werden.

Was in der Nacht zum 9. Juni 2007 genau geschah, konnte in der fast achtmonatigen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Halberstadt nicht geklärt werden. 14 Mitglieder des Nordharzer Städtebundtheaters waren nach einer Premierenfeier in Halberstadt von einer Gruppe stadtbekannter Rechter brutal zusammengeschlagen worden. So widersprüchlich wie die gesamte Hauptverhandlung stellten sich auch die Abschlussplädoyers dar. Die Nebenklage sah den Vorwurf des gemeinschaftlichen Handelns als erfüllt an, was Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht erkennen mochten.

Opferanwalt Stephan Martin sprach von einem Schulfall für sukzessive Mittäterschaft. Nachdem einer der Täter einen Schauspieler zusammengeschlagen hatte, prügelten weitere Mitglieder der Gruppe auf ihre Opfer ein. Wie viele es waren, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen, die zwischen vier und zehn schwanken.

Kritik an Ermittlungen der Polizei

Auch über die Frage, wen der Haupttäter Christian W. geschädigt hat, herrschte Uneinigkeit. Während Staatsanwaltschaft und Verteidigung W. nur eine Tat zurechnen, gehen nach Ansicht der Nebenklage drei Schwerverletzte auf das Konto des 23-Jährigen. Dieser hatte bei seinen Aussagen widersprüchliche Angaben gemacht. Der Hartz-IV-Empfänger erklärte sich bereit, für drei Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 10.700 Euro zu zahlen.

Von Anfang an war die Polizei wegen schlampiger Ermittlungsarbeit kritisiert worden. Am Tatort waren Hinweise der Opfer auf Verdächtige missachtet worden, Tatbeteiligte konnten daraufhin nicht mehr ermittelt werden. Von einem der Haupttäter wurden zwar die Personalien festgestellt, aber er wurde nicht festgenommen, obwohl er auf Bewährung auf freiem Fuß war. Ein interner Ermittlungsbericht resümiert schwere Ermittlungsfehler der Polizei. Vor Gericht machten vier Beamte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, zwei weitere meldeten sich krank. Den Ermittlungsbehörden wirft die Opfervertretung blinden Aktionismus vor. Bereits fünf Tage nach dem Überfall wurden die ersten Anklagen erhoben, zu diesem Zeitpunkt waren noch nicht einmal alle Betroffenen verhört worden. Belastendes Material wurde dem Gericht von der Staatsanwaltschaft erst während des laufenden Prozesses übergeben.

Zum Prozessauftakt hatte der Vorsitzende Richter Holger Selig eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Handelns ausgeschlossen. Aus diesem Grund hätte jedem Angeklagten eine konkrete Tat nachgewiesen werden müssen. Für eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Handelns hätte die bloße Anwesenheit am Tatort genügt. Im Dezember waren alle vier Angeklagten auf freien Fuß gesetzt worden. Bei drei von ihnen hatte sich kein hinreichender Tatverdacht mehr ergeben, bei dem geständigen Vierten war der Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Das Urteil soll am Mittwoch verkündet werden.

AP · DPA
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