Kriminalpsychologe Sieber "Brandstifter sind einfach zu dumm"

Was treibt Menschen an, über Jahre hinweg Brände zu legen und dabei das Leben anderer riskieren? Im Interview mit stern.de fällt der Münchener Kriminalpsychologe Georg Sieber über Feuerteufel ein hartes Urteil.

Herr Sieber, wieder wurde Brandstifter gefasst. Was geht in solchen Leuten vor?

Nicht viel, fürchte ich.

Das heißt?

Nach unserer Erfahrung ist der typische Serienbrandstifter selten intelligent, hat einen einfachen Job und zeigt insgesamt wenig Leistungsbereitschaft. Um es brutal zu sagen: Es sind meistens die Loser der Gesellschaft, die versuchen, mit möglichst wenig Aufwand große Aufmerksamkeit zu erregen.

Und das lässt sich mit Brandstifterei erreichen?

In der Psychologie sprechen wir von der so genannten kalkulierten Minderleistung. Oder anders: mit wenig Einsatz viel erreichen. Was ist einfacher, als ein Stück Stoff mit Benzin zu tränken und damit irgendetwas anzuzünden? Die Folge: ein wunderbarer Effekt - Flammen, Feuerwehr, gaffende Zuschauer. Nicht selten legen einige Brandstifter Feuer, rufen anschließend selbst die Feuerwehr und genießen das Spektakel.

Zur Person

Georg Sieber ist Kriminalpsychologe in München

Und riskieren dabei, dass Menschen ums Leben kommen.

So weit denken die nicht. Brandstifter sind vergleichbar mit Menschen, die Steine von Autobahnbrücken schmeißen. Bei denen haben sogar Untersuchungen mit Hypnose ergeben: Sie haben nicht die geringste Tötungsabsicht. Genau genommen haben sie gar keine Absichten. Offenbar sind sie einfach zu dumm, als dass sie sich Gedanken über die Folgen ihrer Handlungen machen würden.

Aber können bei solchen Taten nicht auch psychische Störungen zugrunde liegen? Der Hildesheimer Richter spricht davon, der Täter habe aus Zwang gehandelt.

Bei Prozessen wird gerne viel in die Angeklagten hineingeheimnist, ihre Motivation aufgebauscht, um sie klarer bestrafen zu können. Es gibt einige Fälle, in denen Brandstifter zum Serientäter werden, weil sie sich und den anderen beweisen wollen: Mich kriegt ihr nicht. Wenn sie aber merken, dass man ihnen ganz dicht auf den Fersen ist, hören sie plötzlich auf. Von Zwang kann man da wohl kaum sprechen.

Wie hoch ist die Aufklärungsquote?

Hoch, etwa wie bei Banküberfällen: 90 Prozent. Die meisten Serienbrandstifter gehen immer nach dem gleichen Muster vor, so dass man ihnen leicht auf die Schliche kommt. Wie gesagt, intelligent sind die wenigsten. Man muss aber auch sagen, es gibt nicht viele von ihnen und ihre Bedeutung wird in der Öffentlichkeit völlig überschätzt. Die Gefährdung, die von Brandstiftern ausgeht, ist ungefähr so hoch wie die durch Nasenbohrer.

Interview: Niels Kruse

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