Missbrauchte Stefanie "Es geht um Leben oder Tod"

Fünf Wochen lang war die 13-jährige Stephanie in der Hand eines Kinderschänders - und wurde dank eines von ihr verfassten Hilferufs befreit. Der Täter war bis Ende 2005 wegen sexuellen Missbrauchs in Haft.

Die Freude und die Erleichterung war nicht nur dem 49 Jahre alten Joachim Rudolph anzumerken, als er am Donnerstagnachmittag zur Pressekonferenz ins Dresdner Polizeipräsidium kam: Seine 13 Jahre alte Tochter Stephanie war am Tag zuvor nach fünf Wochen aus der Gewalt des vorbestraften 35 Jahre alten Sexualstraftäters Mario M. befreit worden. Das Wichtigste sei, dass sie lebe, sagte Rudolph.

Unermüdlich hatte er seit dem Verschwinden seiner Tochter am 11. Januar dieses Jahres immer wieder den Weg in die Öffentlichkeit gesucht, um das Interesse an dem Schicksal von Stephanie wachzuhalten. Was allerdings jetzt Stück für Stück herauskommt, lässt den Ermittlern den Atem stocken.

Gefangen in einer unscheinbaren Altbauwohung

Das Unfassbare geschah im gutbürgerlichen Dresdner Stadtteil Striesen in einer unscheinbaren Altbauwohnung. In der Erdgeschoss-Wohnung eines Mehrfamilienhauses missbrauchte der tatverdächtige arbeitslose Anlagenbauer Stephanie, sperrte sie in eine Kiste und hinderte das Kind mit einem Knebel im Mund am Schreien. Das Amtsgericht erließ nun Haftbefehl wegen des Verdachts des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs und Freiheitsberaubung.

Er lebte zurückgezogen, war aber freundlich, sagte eine 38 Jahre alte Mutter und Mitbewohnerin über Mario M. Dagegen bezeichnete der 65 Jahre alte Armin Eckardt aus einem Nachbarhaus den glatzköpfigen und schwarz gekleideten Mann als unverschämt. Er habe trotz der spielenden Kinder seine beiden Hunde immer ohne Leine frei herumlaufen lassen. Was da passiert sei, "ist furchtbar", sagte Eckardt.

Wie furchtbar das ist, was Stephanie passiert ist, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Ihr Vater kannte zwar bereits einige Einzelheiten, wollte aber gar nicht alles wissen. Das sei Sache der Staatsanwaltschaft, sagte er. Gegenüber dem Tatverdächtigen, der seine Tochter in den frühen Morgenstunden auf dem Weg zur Schule brutal entführt, in sein Auto gezerrt und dann in seine Wohnung verschleppt hatte, empfinde er schon einen gewissen Hass. Dieser Mann solle für immer weggesperrt werden. Das sieht auch Oberstaatsanwalt Christian Avenarius ähnlich. Es sei das Ziel, dass der Tatverdächtige nicht mehr frei komme.

Stephanie sehr tapfer gewesen

Für ihn sei es eine schwere Frage gewesen, zu entscheiden, ob sich Stephanie bereits am Donnerstag zu den Vorfällen äußern sollte. Sie sei sehr tapfer und habe sich zur Aussage bereit erklärt. Das könnte auch eine "sekundäre" Traumatisierung hervorrufen, so der Jurist.

Da seien andere Fragen wie jene, wie viele Zettel mit einem Hilferuf von Stephanie gefunden wurden, nachrangig zu behandeln. Es war ein von ihr selbst geschriebener Hilferuf, den ein aufmerksamer 31-Jähriger Dresdner an einem Müllcontainer gefunden hatte. Daraufhin verständigter er die Polizei.

Sieben Beamte fuhren zur Wohnung von Mario M., öffneten mit einem Schlüsseldienst seine Wohnung und fanden den Tatverdächtigen und Stephanie. Mario M. sei schon überrascht gewesen und habe sich widerstandlos festnehmen lassen, sagte Avenarius. Der 35-Jährige hatte bereits 1999 ein Kind sexuell missbraucht und war zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden.

Er sei aber vorzeitig auf Bewährung entlassen worden, weil es an seinem Verhalten nichts zu beanstanden gegeben habe, betonte der Oberstaatsanwalt. "So bitter das ist, man hat damals verantwortungsbewusst entschieden", sagte Avenarius. Die Bewährungszeit von Mario M. lief Ende 2005 ab. Nur wenige Wochen später entführte er Stephanie.

AP
Frank Ellmers/AP

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