Aus Furcht vor Rache wünscht sich die zu Jahresbeginn entführte Dresdner Schülerin Stephanie, dass ihr Peiniger lebenslang ins Gefängnis kommt. Sie wolle, dass er hinter Gitter komme und nicht in die Psychiatrie, sagte Stephanie in der ZDF-Sendung "Johannes B. Kerner". Der Täter habe ihr gedroht, dass er aus der Psychiatrie leichter ausbrechen könne als aus dem Gefängnis - "und sich rächen wird". Sie berichtete über weitere Details der fünf Wochen in der Gewalt des 35 Jahre alten vorbestraften Sexualtäters Mario M. Die Staatsanwaltschaft Dresden will noch im September Anklage erheben.
Bei der Fernsehaufzeichnung ohne Publikum war das Entführungsopfer nur von hinten zu sehen. Stephanie war Anfang 2006 auf dem Schulweg verschleppt worden. Der Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft, Christian Avenarius, kritisierte die Familie der Schülerin wegen der Medienauftritte und Zeitungsinterviews. Der "Spiegel" hatte am Wochenende berichtet, das Mädchen gehe an die Öffentlichkeit und wolle wohl auch im Prozess aussagen, um zu verhindern, dass der Täter je wieder frei komme. "Die Beweislast ist auch so erdrückend genug", sagte jetzt Christian Avenarius. Er rechne mit einer hohen Strafe in der Nähe der Höchststrafe. "Wir wollen eine Vernehmung vermeiden, weil das Mädchen dann auch vor Gericht auftreten muss."
In eine Kiste gesperrt und geknebelt
Stephanie sagte, es gehe ihr heute "eigentlich ganz okay". "Ich gehe wieder zur Schule und mache wieder Aerobic." Ihre Mitschüler hätten sie nach ihrer Rückkehr umarmt, seien froh und glücklich gewesen. Die Mitschüler sollten aber auch wissen, "was da halt passiert ist in der Zeit". Sie wolle zeigen, dass der Täter "nicht meinen Kern berührt hat - also dass ich nicht gebrochen worden bin". Der Täter habe ihr gesagt, dass er davon geträumt habe, "sich ein Mädchen von der Straße zu fangen", sagte die 14-Jährige. "Außerdem hat er mich schon sechs Wochen vorher beobachtet." In den fünf Wochen habe sie in ihren Schulbüchern gelesen und Videos gesehen.
Während seiner Einkäufe zwei Mal in der Woche habe der Mann sie in eine Kiste gesperrt und manchmal auch geknebelt, schilderte Stephanie in der aufgezeichneten TV-Sendung. Er habe ihr eine Socke in den Mund gesteckt und Pflaster darüber geklebt, so dass sie kaum atmen konnte: "Es gab manchmal so Situationen, wo ich dann am ganzen Körper gezittert hab' oder so. Und ich dann nur noch gehofft habe, dass wer wiederkommt und ich dann aus der Kiste 'rauskomme." Später habe er sie zu Ausgängen mitgenommen oder mit dem Auto an die Elbe gefahren. Flucht sei sinnlos, habe er gesagt. Bei einer Polizeikontrolle drohte er, erst den Polizisten und dann sie umzubringen, wenn sie sich bemerkbar mache.
Zettel mit Hilferufen fallen gelassen
Manchmal habe ihr Peiniger gesagt, dass sie nach ein paar Filmaufnahmen wieder nach Hause könne, sagte Stephanie. Aber die Liste sei immer länger geworden. Sie habe dann vier Hilferufe auf Zettel geschrieben und bei nächtlichen Ausgängen an zwei aufeinander folgenden Tagen fallen gelassen. Einen fand ein 31-jähriger Dresdner am 15. Februar an einem Müllcontainer. Die Polizei befreite daraufhin das Mädchen.
Stephanie befand sich in einer Wohnung im Dresdner Stadtteil Striesen - nur 500 Meter entfernt vom Elternhaus. Auf die Frage, ob es ihre größte Angst sei, den Peiniger wiedersehen zu müssen, antwortete Stephanie: "Ja. Die Allergrößte." Auf den Selbstmord des Entführers von Natascha Kampusch aus Wien angesprochen, sagte das Dresdner Mädchen: "Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir gewünscht, dass das bei mir so gewesen wäre, weil: Dann bräuchte ich keine Angst mehr um meine Zukunft haben." Die Polizeiarbeit während der Suche nach dem Mädchen war wegen einer Computerpanne und der langen Verfolgung schließlich falscher Spuren kritisiert worden.