Camden Lee scrollte nur ein wenig auf seinem Handy umher, als er online ein Bild sah, dass sein Leben verändern sollte. "Ich habe das Logo der Polizei gesehen. Ich habe mich gesehen. Und ich habe gesehen: 'Gesucht wegen Mordes'", erzählte Lee, damals 15 Jahre alt, der Nachrichtenagentur AP über jenen Nachmittag im September des vergangenen Jahres.
"Ich konnte nicht glauben, was da passierte. Danach verschwimmt alles." Lee sollte angeblich auf einem Straßenfest im New Yorker Stadtteil Brooklyn einen Menschen erschossen und vier weitere verletzt haben. Mittlerweile musste die Polizei sich bei ihm entschuldigen: An den Verdächtigungen war nichts dran, bis heute wurde der tatsächliche Täter nicht gefasst.
Vorwürfe schnell entkräftet
Dass Lee nicht der Schütze war, stellte sich eigentlich recht bald heraus, wie AP und die "New York Times" berichten. Zwar war der 15-Jährige auf dem Straßenfest gewesen, das Fahndungsfoto stammte auch von einer Überwachungskamera, hatte mit den Schüssen aber nichts zu tun. Lee ging selbst mit seiner Mutter und einem Anwalt zur Polizei, dort konnten die im Raum stehenden Vorwürfe schnell entkräftet werden.
"Sie gaben zu, dass sie sich geirrt hatten", sagte der Anwalt der Nachrichtenagentur AP. "Aber diese Polizisten gingen total unbekümmert damit um. Es war, als würden sie mit dem Leben eines Kindes spielen."
New York: Polizei entschuldigt sich nach fünf Monaten
Erst jetzt, nach fünf Monaten, stellte die New Yorker Polizei (NYPD) auch öffentlich klar, dass die Verdächtigungen gegen den Jugendlichen nicht zutreffend gewesen seien. Lee sei nicht als Verdächtiger gesucht worden. "Das NYPD hätte sein falsches Statement sofort korrigieren sollen", heißt es in einer Erklärung. "Wir entschuldigen uns für den Fehler."
Die Polizei hatte zwar die Medien aufgefordert, die Fotos von Camden Lee nicht mehr im Zusammenhang mit der Tat zu zeigen. Dies geschah jedoch nie öffentlich. So verbreitete sich das Bild des 15-Jährigen weiter im Internet. Camden Lee sagt, er habe über seine Accounts in den sozialen Netzwerken sogar Todesdrohungen erhalten.

Familie musste umziehen
Für ihn und seine Familie kommt die Entschuldigung der Polizei zu spät – und sie ist "oberflächlich", wie seine Mutter sagt: "Sie verstehen nicht, welchen Schaden sie damit angerichtet haben." Lee selbst sagt, er sei nach dem Vorfall mental "an einen dunklen Ort gelangt: "Ich fühle mich nicht mehr wie ich selbst. Ich habe keine Chance, meine Seite der Geschichte zu erklären. Jeder ist so sehr auf dieses eine Bild von mir fixiert: Mörder."
Weil es anfangs hieß, der Mord habe sich im Gangmilieu abgespielt, ist die Familie umgezogen – sie fürchtete die Rache von Gangmitgliedern. Lee konnte wochenlang nicht in die Schule gehen. Die Familie erwägt nun eine Zivilklage gegen die Polizei.
Quellen: AP, "New York Times"