Einfach erklärt Warum fährt man in Großbritannien und Co. eigentlich auf der linken Seite?

Linksverkehr in Großbritannien: Busse und Taxis fahren am Big Ben in London vorbei
Vorsicht, Linksverkehr! Busse und Taxis fahren durch London – natürlich auf der "falschen" Straßenseite wie im Rest von Großbritannien und einigen anderen Ländern der Welt
© Elena Zolotova / Getty Images
Der Linksverkehr hat schon so manchen Urlauber in Großbritannien zur Weißglut gebracht – oder in Gefahr. Wie kam es dazu, dass man hierzulande rechts und anderswo links fährt?

"Look left" oder "look right" – solche Hinweise finden sich vor vielen Fußgängerüberwegen in Englands Hauptstadt London und weiteren Städten Großbritanniens. Die Markierungen auf dem Boden dienen der Orientierung. Sie sollen verhindern, dass Touristen aus Ländern mit Rechtsverkehr beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst werden.

Nun könnte man einfach Obelix zitieren und behaupten: "Die spinnen, die Briten!" Diese Markierungen wären überhaupt nicht nötig, würde man auf der Insel einfach auf der "richtigen" Seite, nämlich rechts, fahren. So ist es immerhin in Deutschland, Frankreich, den USA und vielen anderen Ländern üblich. Doch so einfach ist es nicht. Denn der Linksverkehr hat eine lange Tradition und gilt laut der "Süddeutschen Zeitung" in immerhin 58 der 221 selbstständigen Staaten und Gebieten der Erde.

Fußgängerüberweg in London
Diese Markierungen auf der Straße sieht man in London häufig
© Depositphotos / Imago Images

Woher kommt der Linksverkehr?

Vor einigen Jahrhunderten war der Linksverkehr üblich – auch in Deutschland. Er machte für die Menschen vieles einfacher. Bereits im Mittelalter bestiegen Reiter ihre Pferde bevorzugt von der linken Seite. Da die meisten von ihnen Rechtshänder waren, trugen sie ihre Schwerter am Gürtel ebenfalls links. Mussten sie sich verteidigen, zogen sie das Schwert mit der rechten Hand zur Straßenmitte. Das Absteigen war auf der linken Seite am Straßenrand sicherer.

Auch für Kutscher soll der Linksverkehr sinnvoller gewesen sein. Da sie als Rechtshänder die Peitsche schwangen, saßen sie bevorzugt auf der rechten Seite – sonst hätten die Hiebe, die für die Pferde bestimmt waren, womöglich Fahrgäste getroffen. Zudem hatten die Fahrer auf der rechten Seite des Kutschbocks eine bessere Übersicht.

Reiche Menschen, die sich Pferde oder eine Kutschfahrt leisten konnten, waren also auf der linken Seite unterwegs. Ärmere Leute hingegen gingen zu Fuß auf der rechten Seite, um nicht von hinten überrannt oder überrollt zu werden.

Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, warum zunächst links gefahren wurde. Eindeutige Gründe sind jedoch kaum zu finden. "Ganz lässt sich das nicht herleiten, das stichfest zu beweisen ist nicht möglich", zitiert die "Bild"-Zeitung Bettina Gundler, Leiterin der Hauptabteilung Landverkehr des Deutschen Museums in München. Sicher sei aber, dass es im 19. und 20. Jahrhundert politische Absprachen gab. In vielen Ländern setzte sich schließlich der Rechtsverkehr durch.

Napoleon und Hitler erzwingen Rechtsverkehr

Die Französische Revolution verschob 1789 nicht nur die Machtverhältnisse in unserem Nachbarland, sondern drehte auch die Straßenverkehrsordnung auf links – beziehungsweise auf rechts. In dieser Zeit wurde in Frankreich der Rechtsverkehr eingeführt und später unter Napoleon gesetzlich festgeschrieben. Das hatte wahrscheinlich sowohl symbolische als auch praktische Gründe. Es ging darum, eine Gleichheit unter den Bürgern zu schaffen, auch auf der Straße. Zudem wollte man mit aristokratischen Gewohnheiten brechen – dazu gehörte auch der Linksverkehr.

Das zog weite Kreise: Napoleon zwang später die auf seinen Feldzügen eroberten Länder in Europa zum Fahren auf der rechten Seite – unter anderem, um Truppenbewegungen einheitlich zu koordinieren. Viele Länder, wie auch Deutschland, blieben anschließend beim Rechtsverkehr. In weiten Teilen Österreichs herrschte weiter Linksverkehr. Als 1938 unter Adolf Hitler der sogenannte "Anschluss" ans Deutsche Reich erfolgte, etablierte der Diktator den deutschen Rechtsverkehr auch dort. Wenige europäische Ausnahmen stellten später um: In Schweden wechselte man 1967 auf die rechte Straßenseite, auf Island sogar erst ein Jahr danach.

Bis nach Großbritannien hat Napoleon es bekanntlich nie geschafft und auch Hitler konnte die Insel nicht besetzen. Die Briten haben also seit jeher Linksverkehr, der sich durch das British Empire und den Commonwealth in Ländern auf verschiedenen Kontinenten verbreitete. Eine Auswahl:

  • Europa: Irland, Malta, Zypern
  • Afrika: Südafrika, Namibia, Botswana, Lesotho, Eswatini (Swasiland), Kenia, Tansania, Uganda, Malawi, Sambia, Simbabwe
  • Asien: Indien, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Myanmar, Malaysia, Singapur, Brunei
  • Ozeanien: Australien, Neuseeland, Fidschi und mehrere kleinere Inselstaaten im Pazifik
  • Karibik: Jamaica, Barbados, Trinidad und Tobago und einige weitere Commonwealth‑Inselstaaten

Es gibt zudem Länder, die keine britische Kolonie waren, in denen aber bis heute links gefahren wird. Zum Beispiel Japan, Thailand und Indonesien. Sie orientierten sich aber vermutlich an Großbritannien. In Japan halfen etwa britische Ingenieure bei der Einführung des ersten Eisenbahnsystems im 19. Jahrhundert. Der Linksverkehr wurde folglich von der Schiene auf die Straße ausgeweitet und besteht bis heute.

Weitere Quellen: ADAC, t-online

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