"Herr Bundeskanzler, stoppen Sie die Zensur!", forderten dutzende Chefredakteure, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Juni 2004 der Freiheit der Presse einen Dämpfer versetzt hatte. Das damalige Caroline-Urteil galt nicht der kritischen Presse, sondern den bunten Bildern über Leben und Lieben von Hochadel und TV-Prominenz. Nun, drei Jahre später, setzt der Bundesgerichtshof (BGH) die Straßburger Vorgaben nach und nach in seinen Urteilen um. Und es zeigt sich: Dem Publikum werden fortan manche Einblicke ins Privatleben der Stars verborgen bleiben.
So trug vergangene Woche Herberts Grönemeyers Freundin vor dem Karlsruher Gericht einen Sieg davon. "Die Blicke der Liebe..." hatte die "Bunte" im Frühjahr 2004 neben ein Foto geschrieben, das den Musiker mit seiner Lebensgefährtin in einem römischen Café zeigte; ein weiteres Bild hatte das Paar beim Stadtbummel eingefangen. Aus BGH-Sicht war das junge Glück Privatsache - er verbot die Bilder.
Gute Chancen für Olier Kahn
Womit auch Oliver Kahn dem Auftritt seiner Anwältin kommenden Dienstag (3.7.) vor dem BGH relativ gelassen entgegen sehen dürfte. Den Bayernspieler hatten die Fotografen, ebenfalls mit Freundin, in St. Tropez erwischt. Es geschah zwar am helllichten Tag auf einer öffentlichen südfranzösischen Promenade. Doch das Oberlandesgericht Hamburg befand vor Jahresfrist, der Spaziergang des einstigen Welttorhüters gehe die Presse nichts an.
Und einiges spricht dafür, dass auch der BGH den Abdruck der Bilder untersagt. Im Prozess um eine Klage von Dieter Bohlens Ex-Freundin gegen ein Foto an der Seite des Musikers, der ebenfalls am Dienstag vor dem BGH verhandelt werden sollte, hat die beklagte Zeitschrift ihre Revision gegen das Abdruckverbot inzwischen zurückgenommen - mangels Erfolgsaussicht.
Urlaub gehört zur Privatsphäre
Denn am 6. März hatte das oberste deutsche Zivilgericht eine neue Rechtsprechung eingeläutet, die die Balance zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht neu austariert - mit einem neuen Promi- Schutzfaktor: Der Urlaub, so heißt es in den insgesamt sechs Urteilen rund um Caroline von Hannover und ihren Gatten Ernst August, gehöre auch bei Prominenten grundsätzlich zum "geschützten Kernbereich der Privatsphäre".
Damit hat der BGH den Persönlichkeitsschutz für die so genannten "absoluten Personen der Zeitgeschichte" - also den Superpromis dieser Welt - deutlich erhöht. Mit dem Rückenwind des Straßburger Gerichtshofs stellt der BGH nun auf den "Informationswert" der Berichterstattung ab. Bei den März-Urteilen hieß das im Ergebnis: Ganz normale Urlaubsfotos waren zwar tabu. Verbunden mit dem Text, Caroline weile mit Familie ein paar Tage zum Skilaufen in St. Moritz, während es dem Vater "wieder einmal sehr schlecht gehen soll", waren solche Fotos dagegen zulässig: Die Erkrankung des damals regierenden Fürsten von Monaco sei ein "zeitgeschichtliches Ereignis".
"Der BGH setzt die Juristen an den Redaktionstisch"
Medienrechtler reagieren skeptisch auf die Entwicklung. Der Münchner Rechtsanwalt Stefan Söder gibt zu bedenken, dass manche Prominente ohne "bürgerlichen" Beruf eigentlich immer - oder nie - "Urlaub" haben, weswegen nicht jede Reise gleich eine Fotosperre auslösen könne. Und sein Hamburger Kollege Stefan Engels monierte, dass fortan Richter über den "Informationswert" von Ereignissen befinden sollen: "Der BGH setzt die Juristen an den Redaktionstisch."
Über diesen "Informationswert" kann man überdies im Grönemeyer-Fall trefflich streiten. Immerhin hatte der deutsche Vorzeigebarde das Interesse an der neuen Liebe gewissermaßen selbst ausgelöst: Nach dem Krebstod seiner Frau im Jahr 1998 hatte er öffentliche Trauerarbeit geleistet, sowohl in Interviews als auch in Songs. Für die Privatsphäre der Lebensgefährtin habe dies keine Konsequenzen, beschied der BGH die "Bunte". Dort wartet man noch auf die schriftliche Begründung - doch dass der Fall beim Bundesverfassungsgericht landet, ist nicht unwahrscheinlich.
Den Verfassungsrichtern könnte der Fall Gelegenheit geben, die eigene Rechtsprechung auf den Prüfstand zu stellen. Zwar hatten sie 1999 - wie meist ging es um Caroline - Prominenten einen gewissen Schutz vor Paparazzi auch außerhalb der eigenen vier Wände zugestanden, aber nur dann, wenn sie sich ersichtlich zurückzogen, etwa zum Tête-á-tête im versteckten Winkel eines Restaurants. Nicht ausgeschlossen, dass das höchste deutsche Gericht das Schutzbedürfnis der Promis im Zeitalter der allgegenwärtigen Fotohandys neu bewertet.