Prozess um Mord an Dominik Brunner "Das was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tod Sinn"

Es war ein Anschlag auf die Zivilcourage: Am 12. September schlugen zwei Jugendliche am Münchner S-Bahnhof Solln zigfach auf den Manager Dominik Brunner ein, weil dieser eine Gruppe Kinder vor ihrem Erpressungsversuch schützen wollte. Ab Dienstag müssen sich die beiden mutmaßlichen Täter vor dem Münchner Landgericht verantworten.

Es war ein Anschlag auf die Zivilcourage: Am 12. September schlugen zwei Jugendliche am Münchner S-Bahnhof Solln zigfach auf den Manager Dominik Brunner ein, weil dieser eine Gruppe Kinder vor ihrem Erpressungsversuch schützen wollte. Brunner erlag seinen schweren Verletzungen. "Weil Du nicht weggesehen hast, habe ich Dich verloren", schrieb die Lebensgefährtin des 50-Jährigen in ihrem Nachruf. Brunner wurde zum Synonym für Zivilcourage, sogar eine Stiftung mit seinem Namen gegründet. Ihr Motto: "Das was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch dem Tod Sinn." Ab Dienstag müssen sich die beiden mutmaßlichen Täter vor dem Münchner Landgericht verantworten.

Der Angeklagte Markus S. war zur Tatzeit 18 Jahre alt, der Angeklagte Sebastian L. 17 Jahre alt, beide waren bereits polizeibekannt. Zusammen mit einem dritten Heranwachsenden - einem 17-Jährigen - hatten sie an der Münchner S-Bahnhaltestelle Donnersbergerbrücke laut Anklage vier Schüler im Alter von dreizehn bis fünfzehn Jahren um 15 Euro zu erpressen versucht. Die vier Schüler stiegen in die nächste S-Bahn, S. und L. folgten ihnen, während ihr Kompagnon eine andere Bahn wählte.

Im Zug kam es dann zu dem Zusammentreffen der beiden Gruppen mit Brunner. Der Manager, der sich auf dem Weg zu seiner Lebensgefährtin befand, bekam die Erpressung mit, stellte sich den Ermittlungen zufolge schützend vor die Kinder und verständigte per Handy die Polizei. Dann bot er den vier Kindern an, dass sie mit ihm am S-Bahnhof Solln aussteigen könnten - die verängstigten Teenager nahmen gerne an. Die Ermittler bezeichneten das Verhalten Brunners später als vorbildlich, er habe alles richtig gemacht - und musste dennoch sterben.

Was aber genau am hellichten Tage auf dem S-Bahnsteig geschah, steht bis heute nicht eindeutig fest. Womöglich starteten die zwei Jugendlichen aus eigenem Ansporn ihren Angriff auf Brunner. Zeugen berichteten Medienberichten zufolge aber auch, dass dieser selbst nach dem Aussteigen seine Jacke abgelegt habe und als erster zugeschlagen habe - allerdings sind die Zeugenaussagen den Berichten zufolge nicht eindeutig.

Für die juristische Bewertung der Tat könnte der genaue Ablauf entscheidend werden: Denn angeklagt sind die beiden Heranwachsenden wegen Mordes. Ein Vorwurf, der ins Wackeln geraten könnte, falls auch das Gericht zu dem Schluss kommt, dass Brunner mit dem Schlagen angefangen hat. An der Brutalität der beiden angetrunkenen Jugendlichen ändert dies aber nichts: Innerhalb von wenigen Minuten fügten sie Brunner laut dem Obdukionsergebnis 22 sehr schwere und 22 leichte Verletzungen zu, die schweren Verletzungen führten in ihrer Summe zum Tod.

Zu dem auf neun Verhandlungstage angesetzten Prozess werden fünfzig Zeugen erwartet. Diese sollen mit ihren Schilderungen auch einen Eindruck geben, warum Brunner niemand zur Hilfe kam - schließlich waren zur Tatzeit am Nachmittag sowohl in der S-Bahn als auch am Bahnsteig andere Menschen. Auch die Frage, warum die beiden Angeklagten so ungehemmt zuschlugen, wird eine Rolle spielen.

Richter Reinhold Baier ist mit solcher Art von unfassbar erscheinenden Fällen vertraut. Er verurteilte bereits vor zwei Jahren zwei zur Tatzeit 17 und 20 Jahre alte Männer, die in einer Münchner U-Bahn einen Rentner im Streit ums Rauchen fast totgeschlagen hatten. Beide bekamen lange Haftstrafen. Außerdem führt Baier derzeit den Prozess gegen eine Gruppe Schweizer Jugendlicher, die im vergangenen Jahr wahllos prügelnd durch die Münchner Innenstadt gezogen waren und mehrere Passanten schwer verletzt hatten.

Nachdem Brunner posthum vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist, scheint der Richter nun ebenfalls ein Zeichen setzen zu wollen: Obwohl die beiden Angeklagten noch so jung sind, ließ er ausdrücklich die Öffentlichkeit zu - alle Welt soll sehen, wer diesen Anschlag auf die Zivilcourage verübt hat.

AFP
Ralf Isermann, AFP

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