Thomas M. wirkt zurückhaltend und schüchtern, als er am Mittwochvormittag in den Saal 2 des Neuruppiner Landgerichts geführt wird. Er wagt kaum aufzublicken, während Staatsanwalt Torsten Sauermann die Anklage verliest. Dem 19-Jährigen wird vorgeworfen, Vater und Mutter am Abend des 18. April dieses Jahres im nordbrandenburgischen Kyritz mit einer Axt erschlagen zu haben. Zuvor soll es Streit um die Freundin des Sohnes gegeben haben.
Gleich zu Prozessbeginn legt der noch sehr jungenhaft wirkende Angeklagte schluchzend ein Geständnis ab. Immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt schildert er, wie er an jenem Abend ein Beil aus der Scheune neben dem kleinen Einfamilienhaus seiner Eltern holte und anschließend im Bad sieben Mal auf den Kopf seines 63-jährigen Vaters Günter M. und gleich darauf neun Mal auf seine bereits im Bett liegende 42-jährige Mutter Rita M. einschlug. Beide starben sofort an ihren schweren Verletzungen. Die Ermittler, die noch in der Nacht die Leichen der beiden entdeckten, schilderten damals den Anblick im Haus als grauenhaft. "Alles war voller Blut", berichtete der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher.
Eltern verlangten Trennung von der Freundin
Kaum vorstellbar, dass der unscheinbare Junge, der nun auf der schlichten hölzernen Anklagebank sitzt, der Täter sein soll. "Er selbst hat das Verbrechen überhaupt noch nicht verarbeitet", sagt sein Verteidiger Bernd Fiebelkorn. Der Anwalt zeichnet das Bild einer labilen Persönlichkeit. Dem Jugendlichen waren nach seiner Darstellung die Probleme schon lange über den Kopf gewachsen. Thomas M. selbst berichtet vor Gericht mit leiser Stimme über seinen regelmäßigen Cannabis- und Ecstasykonsum schon seit dem 15. Lebensjahr, über seinen Schulabbruch nach der neunten Klasse. Er schildert, wie er nach sechs Monaten auch die berufsvorbereitende Ausbildung schmiss und eine Drogentherapie vorzeitig beendete.
Während der Ausbildung flog er auch aus dem Internat, schlief eine Zeit lang bei Bekannten oder im Obdachlosenheim. Das Verhältnis zu den Eltern war dagegen offenbar lange Zeit gut. Der Angeklagte nennt sie vor Gericht "Mutti" und "Vati". Sie unterstützten ihn finanziell und waren in Sorge, dass er ganz den Boden unter den Füßen verlieren könnte. Als eine Ursache sahen sie offenbar dessen 15-jährige Freundin Charlotte an. Oft gab es Streit wegen der Beziehung. Die Eltern verlangten die Trennung von Charlotte, "ich aber habe sie geliebt", erklärt der Angeklagte.
Mord oder Totschlag?
Dann aber beendete das Mädchen die Beziehung. "Zu Hause wollte ich meinen Eltern mein Herz ausschütten", sagt Thomas M., "Aber die haben gleich wieder angefangen zu meckern und gesagt, ich solle froh sein, dass mit Charlotte Schluss ist." Nachdem der Vater ihm eine Backpfeife gegeben habe, sei er wutentbrannt in die Scheune gerannt und mit der Axt zurückgekommen. Es folgte das grausame Verbrechen, mit dem er nicht nur sich, sondern auch seiner Halbschwester die Eltern nahm. Die dreieinhalb Jahre ältere Frau tritt im Prozess als Nebenklägerin auf, auch sie bricht während der Verhandlung in Tränen aus.
Die Anklage lautet auf Totschlag am Vater und Mord an der Mutter. Staatsanwalt Sauermann geht davon aus, dass der Sohn mit der Tötung der Mutter das Verbrechen am Vater verbergen wollte. Damit sind aus seiner Sicht die Mordmerkmale "Verdeckung einer Straftat" und "Vorsatz" erfüllt. "Ich weiß nicht, warum ich es getan habe", sagt dagegen Thomas M. Außerdem wird sich das Gericht mit der Rolle von Freundin Charlotte beschäftigen müssen, zu der Thomas M. nach der Tat fuhr. Sofort habe er ihr von dem Verbrechen berichtet, sagt der Angeklagte. Trotzdem sei die 15-Jährige mit ihm gemeinsam nach Berlin geflüchtet - freiwillig, wie Thomas M. beteuert. Von unterwegs telefonierte Charlotte dann mit ihrer Mutter und erklärte ihr, sie sitze gefesselt und mit verbundenen Augen im Auto ihres Freundes. Die von der Mutter alarmierte Polizei fand im Einfamilienhaus in Kyritz die Leichen der Eheleute M. Sechs Stunden später nahm ein Sondereinsatzkommando Thomas M. in Berlin fest.
Zur Tatzeit alkoholisiert und voller Drogen?
Verteidiger Fiebelkorn sieht seinen Mandanten als eingeschränkt schuldfähig an, weil dieser vor der Tat Ecstasy geschluckt und Cannabis geraucht haben soll. "Ich will eine Schuldminderung erreichen", kündigt der Anwalt an. In der Untersuchungshaft habe Thomas M. dagegen keinen Zugang zu Drogen. "Er ist zum Entzug bereit", sagt Fiebelkorn.