Crime Story Seine Laube, sein Rasen, seine Regeln. Wehe denen, die sich nicht an sie halten

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Wer hier seine Parzelle hat, für den gelten feste Regeln. Es sind Regeln, die man nicht verstehen muss. Doch befolgen sollte man sie.
Schrebergarten
© Julia Bellack

Wenige Minuten bevor ihm der Teufel erscheint, schiebt Peter Kowaltschik* (alle Namen mit * wurden geändert) eine Schubkarre auf das Grundstück eines Nachbarn. Kowaltschik, ein junger Mann mit kurz geschorenem Haar und Brille, kommt öfter her, bringt Bretter und Äste aus dem Schrebergarten seiner Eltern, damit Reiner Beck* sie zu Hause verheizen kann. So machen sie das seit Jahren.

Wie so oft hilft Kowaltschik Vater und Mutter bei der Arbeit in der Gartenparzelle, die in einer Anlage auf der anderen Straßenseite liegt. Heute beschneiden sie die Bäume, die hinter ihrer Laube wachsen. Kowaltschik lädt das Holz in Becks Hinterhof ab.

Die beiden sind gute Nachbarn. Sie grüßen sich über den Zaun, wünschen sich einen Guten Tag, wechseln ein paar Worte über dies und das. Kowaltschiks Vater hat Beck mal auf eine Flasche Bier im Schrebergarten eingeladen. Beck hat den Kowaltschiks erlaubt, ihren Anhänger vor seinem Haus abzustellen. Wie das so ist in einer kleinen Stadt wie Gifhorn in Niedersachsen. Man kennt sich. Man hilft sich.

Auch an diesem Tag plaudern die beiden. Über Kowaltschiks Mercedes A-Klasse, die repariert werden muss. Über die vielen Schmetterlingsraupen, die Beck tags zuvor im Holz entdeckt hat und über die Kowaltschik einiges weiß. Nach etwa 20 Minuten verabschieden sie sich. Beck widmet sich dem Holz, das er noch spalten will. Kowaltschik schiebt die leere Schubkarre vom Grundstück, überquert die Straße in Richtung Kleingarten.

Es ist der 22. September 2008, ein Montag, 19.45 Uhr. Es dämmert und nieselt. Beck werkelt in seinem Hinterhof, als er etwas hört, das ihn beunruhigt.

Schlaggeräusche.

Hilferufe.

Erschienen in stern Crime 37/2021