Crime Story Der talentierte Dr. Daniel

str_crime-white
  • von Uta Eisenhardt
Er wollte ein anderer sein. Aber dafür musste er sie täuschen.
Daniel Friedewald als Kind mit einem Spielzeugstethoskop
Schon als kleiner Junge träumte Daniel Friedewald davon, Arzt zu werden. (Alle Privatfotos wurden mit freundlicher Genehmigung der Familie reproduziert.)
© Maximilian Gödecke

Als ich dich Daniel, im Juni 1990 das erste Mal sah, hatte ich den Eindruck, dass hier ein ‚Menschlein‘ von drei Jahren auf dem Stand von höchstens einem Jahr in der totalen Vernachlässigung eines ärmlich heruntergekommenen Heims trübsinnig dahinvegetierte. Als eine Ärztin mir sagte, du solltest in die Psychiatrie verlegt werden, war ich entsetzt und bat um Aufschub."
– Aus einem Fotoalbum, das seine Patentante ihm zu seiner Konfirmation geschenkt hat

Saskia Schulz (Namen aller Opfer und der des Berufsbetreuers wurden geändert) kennt ihn noch aus der Schule. Als sie ihn wiedertrifft, erzählt er ihr, er sei Sanitäter. Tatsächlich trägt er, ein schmaler Mann von knapp 25 Jahren, eine rot-gelbe Uniform, dazu klobige schwarze Schuhe. Sie vertraut ihm an, dass sie psychisch krank sei. Er sagt, er könne ihr helfen.

Er besucht sie in ihrer Wohnung in Berlin-Reinickendorf, gemeinsam mit seiner Freundin Julia Behnke. Die sagt, sie sei froh, einen Sanitäter zum Freund zu haben. Er fragt Saskia Schulz nach ihren Vorerkrankungen, nach Allergien und den Antidepressiva, die sie verschrieben bekommen hat. In einer Krankenakte notiert er ihre Antworten.

Er zieht sich Handschuhe an, misst ihren Blutdruck. Mit einem Stethoskop hört er ihre Lunge und ihr Herz ab. Er misst Fieber, 38,8 Grad. Er gibt ihr Tabletten, Ibuprofen. Aus seinem Sanitäter-Rucksack holt er eine Kochsalzlösung. "Nazl" nennt er das, was er ihr in den Mund spritzt. Später ist Saskia Schulz etwas schwindlig. So wird sie es später vor Gericht erzählen.

Erschienen in stern Crime 58/2024