2018 wurden in Mexiko 3742 Frauen umgebracht - der höchste Stand seit drei Jahrzehnten. Jeden Tag fallen also im Durchschnitt etwa zehn Frauen Mördern zum Opfer. Wobei etwa die Hälfte der Frauenmorde von Lebensgefährten, Ehemännern oder Ex-Partnern begangen wird, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher.
In einem Land, in dem im letzten Jahr insgesamt mehr als 35.000 Menschen eines gewaltsamen Todes gestorben sind, gehen die meisten Femizide in der allgemeinen Welle der Gewalt unter. Dennoch entzündet sich an bestimmten Fällen immer wieder Unmut. Aktuell sorgt der Mord an Ingrid Escamilla für einen landesweiten Aufschrei: Die 25-Jährige ist von ihrem Lebensgefährten am 9. Februar erstochen, danach teilweise zerstückelt und gehäutet worden. Boulevardblätter verbreiteten blutige Bilder ihres leblosen, grausam zugerichteten Körpers.
Neben der Brutalität der Tat war es diese von vielen als blutgierig empfundene Berichterstattung, die in der vergangenen Woche Proteste auslöste. "Nota roja" (auf Deutsch: rote Blätter) werden in Mexiko die Zeitschriften genannt, die sich mit fast nichts anderem beschäftigen als mit Mord. Sie verbreiten nicht nur in tausendfachen Auflagen Bilder entstellter Leichen, sondern versehen sie auch noch mit banalisierenden Titelzeilen. "Amor ist Schuld", schrieb etwa das Blatt "Pásala" über das Foto des Leichnams von Escamilla. Auch die Tageszeitung "La Prensa" veröffentlichte Bilder ihres zerstückelten Körpers.
Blumen und Schmetterlinge statt blutiger Bilder
Um die Flut solcher blutigen Bilder zu stoppen, haben mexikanische Aktivistinnen eine kreative Protestbewegung ins Leben gerufen. Unter dem Hashtag #IngridEscamilla sollen die Menschen aus aller Welt Fotos von Blumen, Schmetterlingen, Sonnenuntergängen und Traumstränden posten. Je kitschiger, desto besser. Die Idee: Diejenigen, die nach Ingrid Escamilla suchen, sollen nicht die Bilder ihres zerstückelten Leichnams sehen. "Es geht darum, den Bildern zerstückelter Leichen etwas entgegenzusetzen", erklärte die argentinische Feministin María Florencia Alcaraz laut einem Bericht der "Deutschen Welle". "Wir brauchen mehr Feminismus gegen diese Pädagogik der Grausamkeit."
"Niemand sollte so in Erinnerung bleiben, wie es ihr in den Fotos widerfahren ist. Der Mord an Ingrid Escamilla macht mich unfassbar traurig", schrieb auch die Künstlerin Sofia Tello Moscarella auf Twitter. Damit die junge Frau so in Erinnerung bleibt, wie sie es verdiene, fertigte sie ein Porträt an, das anstatt der grausigen Bilder verbreitet werden soll.
Die Macher der "nota roja" zeigen sich bislang nicht einsichtig. "La Prensa" schrieb in einer Stellungnahme: "Wir machen Themen wie Feminizide sichtbar, die vorher nicht abgedeckt wurden." Warum dies jedoch auf diese Art und Weise geschehen muss, blieb unerwähnt.
Quellen: "Süddeutsche Zeitung", "Deutsche Welle"