Drama in Pittsburgh Kranker Amerikaner stirbt nach 30 Stunden Wartezeit

Weil ihr Freund starke Bauchschmerzen hat, ruft Sharon Edge in den frühen Morgenstunden den Notarzt. Die Zentrale ignoriert den Notruf, auch nach 13 Anrufen bekommt Curtis Mitchell keine Hilfe. 30 Stunden später ist er tot - und die Feuerwehr kommt binnen zwei Minuten.

Viele Stunden hatten sie schon gewartet, doch schließlich wurde es zu viel: Weil ihr Freund unter fürchterichen Bauchschmerzen litt, rief Sharon Edge in den frühen Morgenstunden des 6. Februar den Notarzt. "Hilfe ist unterwegs", versprach man ihr am Telefon, als Sharon Edges Notruf die Einsatzzentrale erreichte. Doch Edge wartete vergeblich. Heftiger Schneefall legte in jener Nacht das Leben in Pittsburgh praktisch lahm, in der Zentrale wird der Notruf fahrlässig ignoriert. Etwa 30 Stunden und etliche Anrufe später war ihr Lebensgefährte, der 50-jährige Curtis Mitchell, tot.

Der ehemalige Stahlarbeiter, der wegen Depressionen erwerbsunfähig war, litt an einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse, wie Edge sagt. Erst Ende Januar habe er deswegen neun Tage im Krankenhaus verbracht. Am Morgen des 5. Februar, einem Freitag, erwachte Mitchell mit starken Schmerzen. Zunächst versuchte er, diese mit Medikamenten in den Griff zu kriegen. In der Nacht zum Samstag - zwischenzeitlich waren wegen des Wintersturms Strom und Heizung ausgefallen - wählte Edge schließlich die Notrufnummer 911.

Wie aus den Aufzeichnungen hervorgeht, wurde er nicht als Notfall eingestuft - ein fataler Irrtum, aber nicht der einzige Fehler, wie sich später herausstellte. So wurden beispielsweise die Informationen über Mitchell beim Schichtwechsel in der Einsatzzentrale nicht weitergegeben, was dazu führte, dass jeder Anruf als neues Ereignis galt.

Krankenwagen nur wenige hundert Meter entfernt

Mindestens zwei Mal war ein Krankenwagen nur wenige hundert Meter von Mitchells Zuhause entfernt. Doch nach Angaben der Fahrer konnten sie wegen hohen Schnees nicht die schmale Brücke über die Eisenbahngleise überqueren, die zu dem Haus führt. Stattdessen wurde Mitchell gesagt, er müsse durch den Schnee zum Krankenwagen laufen. Umgekehrt machten die Sanitäter aber keine Anstalten, selbst zu Fuß zu dem Patienten zu gelangen. Ein anderer Krankenwagen kam sogar über die Brücke und war nur noch einen Häuserblock von Mitchell entfernt. Doch auch in diesem Fall hielten es die Rettungskräfte nicht für nötig, den Rest der Strecke - etwa hundert Meter - zu Fuß zurückzulegen.

"Wir haben diesen Patienten im Stich gelassen", räumt Michael Huss, Stadtdirektor für öffentliche Sicherheit, ein. Das Verhalten der Rettungskräfte sei inakzeptabel, denn wären sie zu Mitchell gelaufen, hätte dieser vermutlich überlebt. Den sechs beteiligten Sanitätern drohen laut Huss nun arbeitsrechtliche Konsequenzen. Für Sharon Edge dürfte das kein Trost sein. Sie und Mitchell lernten sich vor acht Jahren kennen, ausgerechnet in der Notaufnahme. "Seitdem hingen wir aneinander wie Klebstoff", sagt die 51-Jährige. Vor einigen Jahren zogen sie in das kleine Reihenhaus in Hazelwood. Im April wollten sie heiraten.

Insgesamt 14 Telefonate

Ein Auto besaß das Paar nicht. Ein Nachbar hatte noch angeboten, Mitchell ins Krankenhaus zu bringen, aber sein Wagen war völlig eingeschneit. Also wählte Edge den Notruf. Insgesamt gab es 14 Telefonate mit der Einsatzzentrale. Zum letzten Mal wählte Edge am 7. Februar kurz vor acht Uhr morgens die 911. "Ich glaube, mein Mann ist tot. Oh Gott, oh Gott", schluchzte sie. Der Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung versuchte, die verzweifelte Frau zu beruhigen, und fragte nach Adresse und Telefonnummer. "Ich habe jetzt drei Tage versucht, einen Krankenwagen hierher zu kriegen. Er hatte Magenschmerzen", sagte Edge. Das Gespräch dauerte nur kurz: Innerhalb von zwei Minuten war die Feuerwehr vor Ort.

AP
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