Eskalierende Gewalt Ecuador: Bewaffnete stürmen Live-Sendung – Armee soll gegen Banden vorgehen

Ecuador Sturm Live-Sendung
Sturm auf Studio live im TV in Ecuador: Einer der bewaffneten maskierten Eindringlinge beugt sich über am Boden kauernde Journalisten
© Picture Alliance
Sehen Sie im Video: Bewaffnete stürmen Live-Sendung in Ecuador  und bedrohen Mitarbeiter.
 
 
 
 
Dramatische Szenen in einem Fernsehsender in Ecuador am Dienstag. Bewaffnete drangen während einer Live-Sendung in das Studio des Fernsehsenders TC ein. Während der Übertragung waren Schüsse und Schreie zu hören, einige der Angreifer gestikulierten in die Kamera und jemand rief "keine Polizei". Die Live-Übertragung wurde abgebrochen. Laut Angaben eines Angestellten des Senders waren die Angreifer zuvor in den Empfangsbereich eingedrungen, hatten Mitarbeiter bedroht und Sprengstoff dabei. Zwei Personen seien verletzt worden. Durch das Eingreifen von Sicherheitskräften konnten die 13 Eindringlinge festgenommen werden. Wie die Polizei später mitteilte, sei anschließend, Zitat, “die Ordnung wiederhergestellt" worden. Ecuadors Präsident Daniel Noboa hatte am Montag wegen der Bandengewalt in den Gefängnissen einen 60-tägigen Ausnahmezustand verhängt und mehrere kriminelle Banden zu terroristischen Vereinigungen erklärt. Unmittelbar danach kam es zu mehreren Anschlägen im Land. Bislang hat sich allerdings noch niemand zu den Anschlägen bekannt.
Das einst friedliche Andenland Ecuador versinkt immer tiefer im Sumpf des Verbrechens. Kriminelle Banden kämpfen mit brutaler Gewalt um ein Stück vom Kuchen im lukrativen Drogengeschäft. Jetzt demonstrieren sie ihre Macht sogar live im Fernsehen.

"Wir sind auf Sendung, damit sie wissen, dass man nicht mit der Mafia spielt" – inmitten der Gewalteskalation in Ecuador haben bewaffnete Angreifer am Dienstag während einer Livesendung ein Studio des staatlichen Fernsehsenders TC gestürmt, ein Maskierter sprach die die eingangs angeführten Worte in die Kamera. Die Angreifer nahmen kurzzeitig mehrere Journalisten und andere Mitarbeiter als Geiseln. Die Live-Übertragung des Senders TC wurde nicht unterbrochen, obwohl nach der Erstürmung des Studios das Licht am Set ausging. "Nicht schießen, bitte nicht schießen", rief eine Frau, als Schüsse zu hören waren, während die mit Gewehren und Granaten bewaffneten Männer auf die Menschen in dem TV-Studio einschlugen und sie zu Boden zwangen. 

Etwa 30 Minuten nach dem Auftauchen der Bewaffneten war zu sehen, wie die Polizei eintraf. Sie meldete später die Festnahme von 13 Angreifern. Mindestens zehn Menschen sollen getötet worden sein.

Ecuadors Präsident verhängt Ausnahmezustand 

Präsident Daniel Noboa erklärte, sein Land befinde sich in einem "internen bewaffneten Konflikt". Er hatte am Montag als Reaktion auf den Gefängnisausbruch des berüchtigten Drogenbosses José Adolfo Macías alias "Fito" einen landesweiten Ausnahmezustand verhängt. Während der kommenden 60 Tage wird das Militär in den Gefängnissen und auf den Straßen des Landes eingesetzt, zudem gilt zwischen 23 Uhr und 5 Uhr eine nächtliche Ausgangssperre.

Adolfo Macias alias "Fito", Anführer der kriminellen Bande Los Choneros, bei der Verlegung in den Hochsicherheitskomplex "The Rock" in einem Gefängnis in Ecuador
Adolfo Macias alias "Fito", Anführer der kriminellen Bande Los Choneros, bei der Verlegung in den Hochsicherheitskomplex "The Rock" in einem Gefängnis in Ecuador
© ECUADOREAN ARMED FORCES / AFP
Meistgesuchter Häftling verschwunden – Ecuador verhängt Ausnahmezustand

Sehen Sie im Video: Meistgesuchter Häftling verschwunden – Ecuador verhängt Ausnahmezustand.

Am Dienstag meldeten die Behörden mehrere Explosionen, die sich unter anderem gegen die Polizei richteten. Zudem wurden demnach mindestens sieben Polizisten entführt. 

Ein in Online-Netzwerken verbreitetes Video zeigte drei der entführten Polizisten auf dem Boden sitzend, während eine Waffe auf sie gerichtet wird. Einer von ihnen wurde gezwungen, eine an Noboa gerichtete Botschaft zu verlesen. "Du hast den Krieg erklärt, du wirst Krieg bekommen", hieß es darin. "Wir erklären Polizei, Zivilisten und Soldaten zur Kriegsbeute."

Noboa ordnete Militäreinsätze an, um kriminelle Banden, die er als "terroristische Organisationen und kriegerische nichtstaatliche Akteure" bezeichnete, "zu neutralisieren".

In mehreren Gefängnissen in Ecuador brachen Unruhen aus. Die Gefängnisbehörde SNAI erklärte am Dienstag, dass 125 Wärter und 14 Verwaltungsbeamte in fünf Städten in der Gewalt von Häftlingen seien. In den Online-Netzwerken kursieren Videos, welche die Hinrichtung von mindestens zwei Gefängniswärtern zeigen sollen.

In den Gefängnissen Ecuadors kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen verfeindeten Banden. Präsident Noboa war im Herbst 2023 mit dem Versprechen gewählt worden, die Gewalt im Land einzudämmen und die Kontrolle über die Gefängnisse zurückzugewinnen.

Besorgte Reaktionen auf Gewalteskalation in Ecuador

Der oberste US-Diplomat für Lateinamerika, Brian Nichols, äußerte sich im Onlinedienst X "äußerst besorgt über die heutige Gewalt und die Entführungen in Ecuador". 

Ecuador liegt zwischen Kolumbien und Peru, den beiden größten Kokainproduzenten der Welt, galt aber lange als vergleichsweise friedlich und stabil. In den vergangenen Jahren wurde das Land aber selbst zu einer Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel. Seitdem hat auch die Gewaltkriminalität massiv zugenommen.

Die Unruhen veranlassten die peruanische Regierung, den Ausnahmezustand an der Grenze zu Ecuador auszurufen und Sicherheitskräfte und Armeetruppen in das Gebiet zu verlegen. China schloss seine Botschaft und seine Generalkonsulate in Ecuador mit Wirkung zum 10. Januar bis auf weiteres. Brasilien, Kolumbien und Chile sprachen der ecuadorianischen Regierung ihre Unterstützung aus.

DPA · AFP
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