"Wir sind auf Sendung, damit sie wissen, dass man nicht mit der Mafia spielt" – inmitten der Gewalteskalation in Ecuador haben bewaffnete Angreifer am Dienstag während einer Livesendung ein Studio des staatlichen Fernsehsenders TC gestürmt, ein Maskierter sprach die die eingangs angeführten Worte in die Kamera. Die Angreifer nahmen kurzzeitig mehrere Journalisten und andere Mitarbeiter als Geiseln. Die Live-Übertragung des Senders TC wurde nicht unterbrochen, obwohl nach der Erstürmung des Studios das Licht am Set ausging. "Nicht schießen, bitte nicht schießen", rief eine Frau, als Schüsse zu hören waren, während die mit Gewehren und Granaten bewaffneten Männer auf die Menschen in dem TV-Studio einschlugen und sie zu Boden zwangen.
Etwa 30 Minuten nach dem Auftauchen der Bewaffneten war zu sehen, wie die Polizei eintraf. Sie meldete später die Festnahme von 13 Angreifern. Mindestens zehn Menschen sollen getötet worden sein.
Ecuadors Präsident verhängt Ausnahmezustand
Präsident Daniel Noboa erklärte, sein Land befinde sich in einem "internen bewaffneten Konflikt". Er hatte am Montag als Reaktion auf den Gefängnisausbruch des berüchtigten Drogenbosses José Adolfo Macías alias "Fito" einen landesweiten Ausnahmezustand verhängt. Während der kommenden 60 Tage wird das Militär in den Gefängnissen und auf den Straßen des Landes eingesetzt, zudem gilt zwischen 23 Uhr und 5 Uhr eine nächtliche Ausgangssperre.

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Am Dienstag meldeten die Behörden mehrere Explosionen, die sich unter anderem gegen die Polizei richteten. Zudem wurden demnach mindestens sieben Polizisten entführt.
Ein in Online-Netzwerken verbreitetes Video zeigte drei der entführten Polizisten auf dem Boden sitzend, während eine Waffe auf sie gerichtet wird. Einer von ihnen wurde gezwungen, eine an Noboa gerichtete Botschaft zu verlesen. "Du hast den Krieg erklärt, du wirst Krieg bekommen", hieß es darin. "Wir erklären Polizei, Zivilisten und Soldaten zur Kriegsbeute."
Noboa ordnete Militäreinsätze an, um kriminelle Banden, die er als "terroristische Organisationen und kriegerische nichtstaatliche Akteure" bezeichnete, "zu neutralisieren".
In mehreren Gefängnissen in Ecuador brachen Unruhen aus. Die Gefängnisbehörde SNAI erklärte am Dienstag, dass 125 Wärter und 14 Verwaltungsbeamte in fünf Städten in der Gewalt von Häftlingen seien. In den Online-Netzwerken kursieren Videos, welche die Hinrichtung von mindestens zwei Gefängniswärtern zeigen sollen.
In den Gefängnissen Ecuadors kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen verfeindeten Banden. Präsident Noboa war im Herbst 2023 mit dem Versprechen gewählt worden, die Gewalt im Land einzudämmen und die Kontrolle über die Gefängnisse zurückzugewinnen.
Besorgte Reaktionen auf Gewalteskalation in Ecuador
Der oberste US-Diplomat für Lateinamerika, Brian Nichols, äußerte sich im Onlinedienst X "äußerst besorgt über die heutige Gewalt und die Entführungen in Ecuador".
Ecuador liegt zwischen Kolumbien und Peru, den beiden größten Kokainproduzenten der Welt, galt aber lange als vergleichsweise friedlich und stabil. In den vergangenen Jahren wurde das Land aber selbst zu einer Drehscheibe für den internationalen Drogenhandel. Seitdem hat auch die Gewaltkriminalität massiv zugenommen.
Die Unruhen veranlassten die peruanische Regierung, den Ausnahmezustand an der Grenze zu Ecuador auszurufen und Sicherheitskräfte und Armeetruppen in das Gebiet zu verlegen. China schloss seine Botschaft und seine Generalkonsulate in Ecuador mit Wirkung zum 10. Januar bis auf weiteres. Brasilien, Kolumbien und Chile sprachen der ecuadorianischen Regierung ihre Unterstützung aus.