Ludwigshafen Trauer - und ein schrecklicher Verdacht

Von Katrin Weisenburger, Ludwigshafen
Das pfälzische Ludwigshafen zeigt sich betroffen vom Brand eines Wohnhauses, der neun Menschen das Leben kostete. Die Bürger helfen mit Geld- und Kleiderspenden - und müssen sie sich gleichzeitig mit dem schrecklichen Verdacht der Brandstiftung auseinandersetzen.

Am Sonntagnachmittag, kurz nach Ende des Faschingsumzugs, brach das Feuer in dem vierstöckigen Wohnhaus aus. Neun Menschen, darunter fünf Kinder, verloren ihr Leben, 20 wurden teils schwer verletzt. Die meisten der Opfer waren türkische Staatsbürger. Drei türkische Familien hatten in dem rund hundert Jahre alten Gebäude gewohnt, doch an diesem Tag waren zahlreiche Gäste gekommen, um vom Balkon aus den vorbeiziehenden Zug zu beobachten. Wie viele Menschen sich genau in dem Altbau aufhielten, ist noch immer ungeklärt. Polizei und Rettungskräfte schätzen jedoch, dass sich zum Zeitpunkt des Brands etwa 50 Personen in dem Gebäude befanden.

Zwei Tage nach dem verheerenden Unglück konnten die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk das Dach des Gebäudes abtragen. Ein Einsturz des Hauses kann noch immer nicht ausgeschlossen werden. Die Hilfskräfte hätten jedoch im Laufe des Tages zumindest das Treppenhaus soweit gesichert, dass mit den ersten Ermittlungen begonnen werden könne, so teilten Polizei und Feuerwehr mit. Über die Brandursache und die Ausbruchsstelle ist bisher noch nichts bekannt. "Wir brauchen sichere Fakten, um dann unsere Schlüsse ziehen zu können" sagte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Lothar Liebig. Weder ein Brandanschlag mit ausländerfeindlichem Hintergrund, noch ein technischer Defekt könnten zurzeit ausgeschlossen werden, hieß es. Presseberichten war zu entnehmen, dass zwei Mädchen einen Mann beobachtet haben wollen, der einen brennenden Gegenstand in das Treppenhaus geworfen haben soll. Diese Aussagen wurden bisher jedoch nicht von offizieller Seite bestätigt. Bekannt ist, dass es bereits im Jahr 2006 einen Brandanschlag auf das türkische Kulturzentrum gegeben hat, das sich im Erdgeschoss des Hauses befand. Die Täter konnten damals nicht gefasst werden.

Ludwigshafen trauert

Eigentlich sollte die Kurpfalz in diesen Tagen fest in närrischer Hand sein, doch nach dem schwerwiegenden Wohnhausbrand in der Innenstadt wurden bereits am Montag alle Faschingsveranstaltungen in Ludwigshafen abgesagt. Wo unweit der Unglücksstelle der Straßenfasching toben sollte, ist von Stimmung keine Spur: Rote Nasen und bunte Kostüme sucht man vergebens. Die Karusselle drehen einsam ihre Runden und die Buden sind verwaist. Statt ausgelassener Feierlaune liegt Trauer über der Stadt.

Bürger legen Blumen vor dem vollständig ausgebrannten Haus nieder, tragen sich in das Kondolenzbuch der Stadt ein. Im benachbarten Einkaufzentrum hat das Management reagiert und einen Spendenstand eingerichtet. Was in den nächsten Tagen gesammelt werden kann, wird der Stadt übergeben, die ihrerseits zum Spenden aufruft. "Die betroffenen Familien brauchen jetzt schnell Hilfe. Als ich von dem Unglück hörte, habe ich sofort zu Hause einige Kinderkleider zusammengepackt", sagt auch Solveig Hilbert, die betroffen zwischen Kamerateams und Schaulustigen steht. Sie selbst kann als Harz-IV-Empfängerin nur wenig entbehren, dennoch möchte sie helfen. "Ich kann das Leid der Bewohner gut nachempfinden. Vor vier Jahren ist meine eigene Wohnung ausgebrannt, dabei habe ich eine enge Freundin verloren. So etwas ist eine Tragödie, plötzlich steht man vor dem Nichts", erzählt sie und bricht in Tränen aus. Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Eva Lohse berichtet von einer Welle der Trauer und der Anteilnahme. Von überall kämen die Spenden, 32.800 Euro kamen bereits zusammen. Wohnungen für die Betroffenen habe die Stadt bereits zur Verfügung gestellt, so Lohse.

Türkische Behörden fordern sorgfältige Untersuchung

Auch der türkische Botschafter Memeth Ali Irtemcelik hat einen Kranz an der Unglücksstelle niedergelegt und die tiefe Betroffenheit und Besorgnis seiner Regierung zum Ausdruck gebracht. In die Ermittlungen vor Ort sollen in den kommenden Tagen auf Wunsch der türkischen Regierung auch türkische Experten einbezogen werden. Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hatte im Kreis von Parteifreunden gesagt, man müsse sich fragen, ob der Grund für dieses traurige Ereignis Fremdenfeindlichkeit sei. Er will - falls nötig - bei seinem Deutschland-Besuch in den kommenden Tagen auch den Brandort in Ludwigshafen besuchen.

Nach den Ergebnissen der Obduktion waren die im Haus gefundenen acht Menschen an Rauchgasvergiftungen gestorben. Eine Frau hatte sich tödlich verletzt, als sie aus dem Gebäude in die Tiefe gesprungen war, um sich vor den Flammen zu retten.

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