Flucht über Ungarn Was aus dem Syrer wurde, dem eine Kamerafrau ein Bein stellte

Von Manuel Meyer
Der Syrer Osama Abdul Mohsen wurde auf der Flucht in Ungarn von einer Kamerafrau absichtlich zu Fall gebracht. Die Bilder davon gingen um die Welt. Heute arbeitet er in Spanien und hofft seine Familie nachholen zu können.

stern: Sie hatten Ihren kleinen Sohn auf dem Arm, als Sie in Ungarn vor der Polizei wegliefen und eine Kamerafrau Ihnen ein Bein stellte. Denken Sie noch oft an diesen Moment zurück?

Osama Abdul Mohsen: Auf unserer Flucht aus Syrien gab es viele schwere Momente. Neben der Bootsüberfahrt nach Griechenland war Ungarn der schlimmste Abschnitt. Das sage ich nicht nur wegen dieser Reporterin, die so fremdenfeindlich wie ihre Regierung zu sein scheint. Polizei und Soldaten behandelten uns wie Kriegsgefangene und nicht wie Menschen auf der Flucht vor Bomben. Dieses Land hat jede Menschlichkeit verloren.

Hat die Frau sich jemals bei Ihnen entschuldigt?

Nein, die Frau hat sich niemals bei mir gemeldet.

Trotzdem verhalf deren Tritt Ihrer Flucht zu einem Happy End.

Es war Gottes Wille. Als ich in München ankam, rief mich Miguel Ángel Galán vom spanischen Fußballtrainerverband an. Er hatte von meiner Geschichte gelesen und bot mir einen Trainerjob, Papiere und eine kostenlose Wohnung an. In Syrien trainierte ich den Erstligaverein Futuwa. Nun lebe ich mit meinen Söhnen Muhammad und Zaid in Getafe bei Madrid, trainiere eine Jugendmannschaft und baue Austauschprogramme mit arabischen Fußball-Ligen auf.

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So erlebte der TV-Reporter den dramatischen Moment

Fühlen Sie sich wohl in Spanien?

Ich bin dem Trainerverband sehr dankbar. Die Spanier haben uns wundervoll aufgenommen. Wir wurden sogar bei Real Madrid empfangen, durften mit Cristiano Ronaldo und Toni Kroos trainieren. Aber die Behörden verwehren mir, den Rest meiner Familie nachzuholen.

Ihr Bittschreiben an Premierminister Rajoy hat nicht geholfen?

Ich habe keine Antwort erhalten. Meine Frau, mein Sohn al-Muhannad und meine Tochter Duha sind noch immer in der Türkei. Das Leben ohne sie ist für uns unerträglich. Wären wir nur in München geblieben! Alle Bekannten, die mit mir auf der Flucht waren und in Deutschland blieben, konnten ihre Familien nachholen. Aber Spanien will für die beantragten Visa für meine Frau und Kinder polizeiliche Führungszeugnisse aus Syrien. Wie sollen wir die bekommen? Ich bin ein Feind des Assad-Regimes.

Das Regime unterstellte Ihnen Nähe zu islamischen Terroristen.

Das sind Verleumdungen, die vom Assad-Regime gestreut wurden. Man wollte mich öffentlich diskreditieren. Meine Geschichte gab dem Flüchtlingsdrama vieler Syrer ein Gesicht. Und das stört Damaskus.

Was wissen Sie von Ihren Verwandten und Freunden in Syrien?

Ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Es ist fast unmöglich, Kontakt herzustellen. Meine Heimatstadt Deir az-Zur wurde von IS-Truppen besetzt, die Menschen sollen großen Hunger leiden.

Glauben Sie, eines Tages in Ihre Heimat zurückkehren zu können?

Ich kann es nur hoffen. Aber damit es zu Friedensgesprächen zwischen Rebellen und der Regierung kommt, muss Assad die Macht ablegen – und das wird er nicht machen. Die internationale Gemeinschaft muss mehr Druck auf Damaskus ausüben.

Sind Sie enttäuscht von Europas Flüchtlingspolitik?

Ich war von Merkels Vorsprung in der Flüchtlingspolitik begeistert. Sie war ein Symbol für ein hilfsbereites Europa. Doch jetzt schließt Europa Menschen die Grenze, die vor Bomben, Mord und Hunger fliehen. Ich hatte in Syrien ein gutes Leben. Ich wollte meine Heimat nicht verlassen. Ich wurde gezwungen.

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