Frühstück Guten Morgen, weite Welt

  • von Ruth Hoffmann
Das globale Dorf rückt zusammen? Mag ja sein. Aber nicht beim Frühstück. Da bleiben die Menschen ihren Gewohnheiten treu. Eine interkontinentale Tischreise.

Sich mit Essgewohnheiten anderer Völker zu beschäftigen hat mitunter voyeuristische Züge. Mit Schaudern nehmen wir zur Kenntnis, dass Isländer Wurst aus Schafsblut und -innereien lieben, die sie auch noch wochenlang in saurer Molke eingelegt haben. In Thailand knuspern Schulkinder auf dem Weg nach Hause marinierte Kakerlaken, und in Namibia ist die Schüssel mit gerösteten Raupen auf jedem Büfett als Erste leer.

Was in fremden Ländern gegessen wird, war schon immer Gegenstand von Reiseberichten, und die Mischung aus Faszination und Ekel, die Leser und Zuhörer dabei befiel, dürfte aller Globalisierung zum Trotz heute ähnlich ausfallen.

Merkwürdige deutsche Sitten

Doch während man über die japanische Vorliebe für fermentierte, von Schleim überzogene Sojabohnen staunt, kommt einem nicht in den Sinn, dass unsere Nahrungsgewohnheiten, von einem anderen Erdteil aus betrachtet, nicht minder merkwürdig erscheinen. Die typisch deutsche Sitte beispielsweise, das Frühstücksei direkt aus der Schale zu löffeln, stößt in vielen Ländern auf blankes Unverständnis, um nicht zu sagen Widerwillen.

Man muss nur einmal einen an Rührei gewöhnten Amerikaner bei dem Versuch beobachten, ein weich gekochtes Ei zu sich zu nehmen, und man weiß, was uns trennt. Nicht, dass nicht auch in anderen Kulturen Eier gegessen würden. Nur nimmt sich - etwa vor den französischen Eiern im Glas oder den kunstvoll gerollten Omeletts der Japaner - unsere Art des Eikonsums bei Licht betrachtet recht barbarisch aus.

Doch im Vergleich mit dem Fremden, so eine Grundüberlegung der Ethnologie, erkennt man das Eigene. Und die Geborgenheit des Vertrauten ist offenbar vor allem bei Tagesanbruch unverzichtbar. Anscheinend ist der Mensch, gleich welcher Nation, direkt nach dem Aufstehen noch nicht für Experimente zu haben. Morgens gibt es Brötchen und Marmelade, respektive Müsli. Basta.

Das Morgenritual wandelt sich nicht

Es scheint ein ehernes und kulturübergreifendes Phänomen zu sein, dass solche Morgenrituale tagein, tagaus aufs Neue zelebriert werden. Und so bleiben weit häufiger als bei anderen Mahlzeiten lokale Gewohnheiten zu dieser Tageszeit erhalten. Eine Antwort auf die Frage, warum das so ist, bleibt die Wissenschaft bisher schuldig.

Immerhin bruchstückhaft lässt sich nachvollziehen, warum in einem Land so und nicht anders gegessen wird. Es ist ein komplexes Produkt historischer, religiöser und gesellschaftlicher Entwicklungen. Natürlich spielen geografische und klimatische Bedingungen eine Rolle: So ist Brot in unseren Breiten nicht zufällig so wichtig und Reis in Asien das zentrale Lebensmittel - auch beim Frühstück. Auf den Tisch kommt das, was die Erde hervorbringt. Aber auch, was der Wohlstand erlaubt. Dass sich etwa in vielen afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern Millionen Menschen von der genügsamen und sehr sättigenden Maniok-Wurzel ernähren, ist allenfalls am Rande ein Zeichen regionaler Vorlieben.

Viele Traditionen und auch religiöse Essensvorschriften -etwa das im Judentum und Islam geltende Verbot, Schweinefleisch zu essen - haben ihren Ursprung in Lebensbedingungen der Vergangenheit, die bestimmte Hygienemaßnahmen erforderten oder von einem Mangel geprägt waren. Der ganz praktische anfängliche Hintergrund gerät im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit. Übrig bleibt die Vorschrift - verloren gegangenes Wissen, verschleiert von Brauchtum und Gewohnheit.

Skandinavier brauchen viel Fisch

Kein Skandinavier muss heute noch Brennholz sammeln oder halbe Tage an Eislöchern kauern und angeln, um sein Überleben zu sichern, und doch steckt in seinem Frühstück noch immer das, was der Körper braucht, um eisiger Kälte zu trotzen: reichlich Fett und für die langen dunklen Winter Vitamin D aus Fisch. Im eher kargen Frühstück mediterraner Regionen spiegelt sich wider, dass die anderen Mahlzeiten des Tages schon immer weitaus wichtiger genommen wurden. So sprechen die Franzosen auch nur von petit déjeuner - dem "kleinen Mittagessen" und meinen das Frühstück damit.

Schon morgens Suppe, Reis oder gar deftige Würstchen zu essen ist für die meisten Westeuropäer, die Briten mal ausgenommen, undenkbar. Asiaten oder Afrikaner hingegen finden es merkwürdig, den Tag mit Süßem zu beginnen. Die Bastion Frühstück scheint, egal in welchem Land, sehr schwer einzunehmen zu sein.

Aber wer weiß - auch Ernährungsgewohnheiten unterliegen der Evolution. Und vielleicht lernen eines Tages Peruaner das gute deutsche Frühstücksei kennen und lieben, während wir begeistert Miso-Suppe schlürfen. Bis vor nicht allzu langer Zeit konnten wir uns schließlich auch nicht vorstellen, dass in kalten Reis und Algen eingewickelter roher Fisch ein Genuss sein könnte.

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