Ein US-Forscherteam hat weitere Hinweise für die Existenz eines großen Ozeans in der Frühzeit des Mars entdeckt: Gesteinsformationen, die von den Forschern als alte Flussdeltas interpretiert wurden, befinden sich alle auf der gleichen Höhenlage - vermutlich der des ehemaligen Meeresspiegels. Aus der Verteilung der Deltas schließen die Wissenschaftler, dass es vor etwa 3,5 Milliarden Jahren einen gewaltigen Ozean auf der nördlichen Marshemisphäre gegeben haben muss, der mehr als ein Drittel der Oberfläche des Roten Planeten bedeckte. Die Erkenntnisse werfen auch neues Licht auf eine der größten Unklarheiten der Marsforschung, nämlich ob es auf dem Planeten jemals primitives Leben gegeben haben könnte, berichten die Forscher um Brian Hynek von der University of Colorado im Fachmagazin "Nature Geoscience".
Als sicher gilt, dass es vor drei bis vier Milliarden Jahren Flüsse und Seen auf dem Mars gab. Die Seen bildeten sich in Kratern, die durch die ständigen Einschläge von Meteoriten entstanden. Dort, wo die Flüsse in diese Gewässer mündeten, entstanden Deltas, wie sie auch auf der Erde an Flussmündungen in Seen oder Meere gebildet werden. Ebenso könnte das Klima des Roten Planeten die Entstehung eines komplexen Wasserkreislaufs aus Niederschlägen, Grundwasservorkommen, Eisregionen und schließlich Oberflächenabfluss in die Seen begünstigt haben. Die mögliche Existenz eines Marsozeans hingegen wird von vielen Wissenschaftlern angezweifelt.
Altertümliche Küstenlinie
Die Forscher um Brian Hynek untersuchten nun 52 Oberflächenformationen, die sie als alte Flussdeltas interpretierten. Hätte es einen Ozean auf dem Mars gegeben, müsste das Netzwerk der Flüsse und Deltas denen auf der Erde sehr ähnlich sein. Deltas gehören zu den typischsten Küstenformationen der Erde. Obwohl ihr Erscheinungsbild durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt wird - beispielsweise Klima, Geologie, topografische Gestalt der Flüsse und Becken, Wellen und Gezeiten - so gibt es doch eine wichtige Eigenschaft, die allen gemein ist: Sie befinden sich alle auf der gleichen Höhenlage, nämlich der des Meeresspiegels.
Demzufolge müssten auch die Deltas auf dem Mars eine altertümliche Küstenlinie markieren. Dies überprüften die Wissenschaftler anhand von Daten, die die Raumsonde Mars Observer geliefert hatte - und stellten dabei fest: Die Verteilung und die Höhenlage der untersuchten Deltas sprechen nicht nur deutlich für die Existenz eines Ozeans in der nördlichen Marshemisphäre, sie lassen auch Rückschlüsse auf eine enorme Gewässergröße zu. Dieses Meer bedeckte demnach etwa 36 Prozent der Planetenoberfläche und enthielt 124 Millionen Kubikkilometer Wasser. Zur Veranschaulichung: Auf den gesamten Mars hochgerechnet entspräche dies einer durchschnittlichen Meerestiefe von 550 Metern. Zudem befindet sich die Höhenlage der Küstenlinie mit den Abflüssen des ausgedehnten Netzwerks aus Flusstälern im Einklang - ein weiterer Hinweis auf einen einheitlichen Meeresspiegel.
Verbleib des Wassers gibt Rätsel auf
Die marsianischen Flussdeltas sind von großem Interesse für die Forscher. Auf der Erde seien die Deltas ausgezeichnete Konservierungsstätten für organische Kohlenstoffe, sagt Hynek. Die Marsdeltas könnten sich somit als Schlüssel zur interessanten Frage herausstellen, ob es tatsächlich einmal Leben auf dem Mars gab. Dafür spricht auch eine andere Entdeckung.
In einer weiteren, im "Journal of Geophysical Research" veröffentlichten Studie katalogisierten Hynek und seine Kollegen nicht weniger als 40.000 Flusstäler auf dem Mars - vier Mal mehr als bisher angenommen. Nach Angaben Hyneks reicht die Menge für einen Wasserkreislauf mit Verdunstung und Niederschlag aus. Damit sei eine wichtige Bedingung für das Entstehen von Einzellern erfüllt. Dennoch lasse sein Modell eine Reihe wichtiger Fragen unbeantwortet, erklärte Hynek weiter: "Eine der Hauptfragen lautet, wo ist das ganze Wasser auf dem Mars geblieben?" Die für das Jahr 2013 geplante Mission Maven (Mars Atmosphere and Volatile Evolution)soll diese Frage klären.