Die Sehnsucht der Menschen nach der einen, ewigen Liebe ist durch nichts zu erschüttern. "Egal in welchem Alter: Paare wünschen sich, dass sie bis zum Lebensende zusammenbleiben", sagte die Fachärztin für Paar- und Sexualtherapie Ulrike Brandenburg am Donnerstag in Aachen. Daran ändert auch nüchterne Statistik nichts: Auf rund 400.000 Paare, die sich in Deutschland jährlich das Ja-Wort geben, kommen etwa 200.000 Scheidungen. Zunehmend sind es Frauen, die einen Schlussstrich unter die Partnerschaft ziehen.
Lebenslange Partnerschaft ist ein "anzustrebendes Ideal"
Psychologen sehen in der lebenslangen Partnerschaft längst nicht mehr die allein glücklich machende Lebensform. Sie sprechen vielmehr von einem "anzustrebenden Ideal" oder von einer "Option". "Es ist eine mögliche Lebensform", betonte Psychologe Professor Martin Hautzinger (Tübingen) im Vorfeld des 30. Westdeutschen Psychotherapieseminars (18.-20.2.) in Aachen zum Thema Partnerschaft. Beziehungen könnten sich an Lebensphasen orientieren. Deshalb müsse Trennung nicht grundsätzlich als ein Scheitern verstanden werden, sagte Hautzinger.
"Die Garanten für eine dauerhafte Beziehung haben sich in den letzten 30 Jahren verändert", nannte Ulrike Brandenburg einen Grund für den Wandel. Früher waren wirtschaftliche Sicherheit, Religion und Kinder Stabilisatoren für die Partnerschaft. "Die sind aber an den Rand gedrängt worden", sagte die Ärztin.
Die "emotionale Qualität" entscheide zunehmend über die Dauer einer Partnerschaft. Kriterien seien die Fähigkeit zum Gespräch, das Interesse füreinander, Intimität und die Möglichkeit, seine Persönlichkeit in der Partnerschaft weiterzuentwickeln. "Viele Paare wissen nicht, wie sie diese Qualität herstellen können."
Die Trennung ist normal geworden
Eine entscheidende Rolle bei den Trennungen spielt nach Einschätzung der Fachleute auch das veränderte Selbstverständnis der Frau. "Über Jahrhunderte war es so, dass die Frau dem Mann untertan war", sagte der Psychologe Professor Henner Völkel (Kiel). Frauen hätten sich der Vorstellung des Mannes, wie sie zu sein haben, "brav angepasst". "Frauen haben dafür einen hohen Preis bezahlt und viele sozialpsychologische Krankheiten entwickelt", sagte Völkel und nannte als Beispiel Herz- und Kreislauf-Erkrankungen. Durch die berufliche Emanzipation habe die Frau ihre "minder bewertete Rolle" in der Ehe überwunden.
"Frauen stehen auf eigenen Beinen und sind beweglicher", stellte der Tübinger Professor Hautzinger fest. Sie seien nicht mehr in alten Strukturen verhaftet, sondern hätten wie ihre Partner egoistischere Bedürfnisse. Die wenigsten hätten gelernt, im Spannungsfeld zwischen eigenen Bedürfnissen und Freiheitsverlusten den richtigen Weg zu finden. Wer sich für Trennung entscheide, begehe keinen Tabubruch mehr. Hautzinger: "Es gibt keine moralischen und institutionellen Hürden mehr. Dadurch ist die Trennung normal geworden."
Elke Silberer/DPA