Erbkrankheit XP Ein Leben im Schatten

Man nennt sie "Mondscheinkinder" - Menschen, die unter Xeroderma Pigmentosum (XP) leiden, einer genetisch bedingten Hautkrankheit. stern.de sprach darüber mit Mark Berneburg, XP-Experte in Tübingen.

Herr Dr. Berneburg, wie würden Sie Xeroderma Pigmentosum definieren?

XP ist eine sehr seltene, erbliche Erkrankung der Haut, die mit Lichtempfindlichkeit und Pigmentstörungen der Haut einhergeht. Die Patienten haben ein 2000fach erhöhtes Risiko, Tumore zu entwickeln, also Hautkrebs. Deswegen müssen sie die Sonne meiden.

Beeinträchtigt die Erkrankung auch die Lebenserwartung?

Es gibt Menschen, die mit XP 60 bis 80 Jahre alt werden. Aber im Durchschnitt liegt die Lebenserwartung bei etwa 30 Jahren.

Hannelore Kohl, die Frau des ehemaligen Bundeskanzlers, hatte eine Sonnenallergie. Worin besteht der Unterschied zu XP?

Der Begriff "Sonnenallergie" ist umgangssprachlich, in der Wissenschaft existiert er nicht. Aber es gibt Hauterkrankungen, wie die polymorphe Lichtdermatose, die bei den Menschen Juckreiz, Quaddeln und Hautveränderungen auslösen, wenn sie sich der Sonne aussetzen. Der wohl wichtigste Unterschied: XP ist erblich bedingt.

Die stern TV-Reportage

Mit dem Titel "Die Sonne ist mein Feind! Mondscheinkinder" sehen Sie heute abend bei Vox um 21.15 Uhr. Mehr Infos unter www.stern.de/tv/reportage

Das heißt, Kinder aus Familien, in denen bereits XP aufgetaucht ist, haben ein erhöhtes Risiko?

So ist es. Auch auch Kinder, die aus Inzest hervorgegangen sind, können diesen Genschaden erleiden - obwohl die Krankheit in der Familie ansonsten unbekannt ist.

Wieviele Fälle gibt es in Deutschland?

Man schätzt, dass global etwa ein erkranktes Kind auf eine Millionen Neugeburten kommt. Für Deutschland würde das heißen: Wir müssten ungefähr 80 Fälle haben. Es sind aber nur 40 bis 50 bekannt.

Was ist für XP-Patienten belastender - das physische Problem, dauernd mit Hautkrebs konfrontiert zu sein oder das psychische Problem, im Schatten leben zu müssen?

Das kann man nicht so klar trennen. Es gibt, wie bei allen anderen Erkrankungen auch, Menschen, die sehr belastet sind und andere, die positiv mit ihrer Situation umgehen. Merve Uluyardimci zum Beispiel hat sich gut an die Erkrankung angepasst.

PD Dr. Mark Berneburg

... ist Oberarzt der Hautklinik der Universität Tübingen und gilt als Spezialist für Xeroderma Pigmentosum. Der 37jährige betreut einige der Patienten, die heute abend in der stern TV-Reportage zu sehen sind, persönlich. Das Tübinger Klinikum finden Sie unter:
www.medizin.uni-tuebingen.de

Was bedeutet das für den Alltag?

Vor allem: die Sonne meiden. Lichtdichte Kleidung tragen, Fensterscheiben mit Schutzfolien abkleben, die Haut mit Cremes schützen, die Lichtschutzfaktor 60 haben.

Zahlen die Kassen für diese Umstellung?

Nicht alle. Wir bekommen immer wieder zu hören, das sei ein kosmetisches Problem.

Hautkrebs - ein kosmetisches Problem?

So wird argumentiert. Wir kämpfen bei jedem Patienten dafür, dass die Kasse die Kosten übernimmt.

Bei Merve, der jungen Frau, die heute in der stern TV-Reportage zu sehen ist, wurde die gesamte Gesichtshaut transplantiert. Wie geht das?

Die Haut im Gesicht wird oberflächlich abgeschabt und durch Haut ersetzt, die an unversehrten Körperpartien abgeschabt wurde. Wenn man sie ausreichend mit Nährstoffen versorgt, wächst die Ersatzhaut einfach an.

In der Wissenschaft wird diskutiert, ob nicht auch ganze Gesichter transplantiert werden können - von einem Toten auf einen lebenden Menschen. Wäre das die Ultima Ratio in der XP-Therapie?

Solange es anders geht, würde ich - auch wegen der vermutbaren psychischen Folgen für die Patienten - darauf verzichten. Wir versuchen derzeit, Haut aus Hautzellen zu züchten, um sie für XP-Patienten einzusetzen. Aber da steht die Forschung noch am Anfang.

XP ist selten, Hautkrebs hingegen nimmt zu. Warum schützen sich die Menschen nicht ausreichend vor UV-Strahlen?

Man nimmt an, dass sich die Zahl der Hauttumore in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird. Und die Ursache für die Nachlässigkeit ist vielleicht sogar verständlich: Die krebserzeugenden Effekte von Sonnenbränden sieht man nicht sofort, sondern erst in zehn bis 30 Jahren. Und wer denkt am Strand schon in solchen Zeiträumen?

Die Fragen stellte Lutz Kinkel

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