Früherkennung Autismus zeigt sich schon bei Kleinkindern

Kinder mit autistischen Störungen fallen vor allem wegen ihrer gestörten Kommunikation auf: Sie sprechen nicht, und versuchen auch nicht, sich non-verbal durch Mimik und Gestik zu verständigen.

Autismus macht sich bereits bei Kleinkindern bemerkbar. "Schon im 24. Lebensmonat kann man autistische Störungen relativ sicher diagnostizieren", sagte Michele Noterdaeme, Oberärztin an der Heckscher Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie in München am Samstag anlässlich des Symposiums "Früherkennung von Entwicklungsstörungen" in der bayerischen Landeshauptstadt. Im Vorschulalter seien die Zeichen der Krankheit eindeutig.

Je früher betroffene Kinder behandelt würden, desto größer seien die Erfolgsaussichten einer Therapie. Kinder mit autistischen Störungen fallen nach Angaben der Expertin vor allem wegen ihrer gestörten Kommunikation auf: Sie sprechen nicht, und versuchen auch nicht, sich non-verbal durch Mimik und Gestik zu verständigen. Die Kinder verweigern zum Beispiel den Blickkontakt. "Das beunruhigt die Eltern oft sehr", erklärte Noterdaeme.

Kommunikationsdefizite schon im Säuglingsalter sichtbar

Die gestörte Kommunikation macht sich schon im Säuglingsalter bemerkbar: Während Babys normalerweise mit wenigen Wochen lächeln, wenn sie ein Gesicht sehen und sich so ihre Umwelt erobern, stellt sich dieses "soziale Lächeln" bei autistischen Babys spät oder gar nicht ein. Später reagieren betroffene Kinder oft nicht auf ihren Namen, wie die Expertin erklärte. Sie wirken wie nicht ansprechbar. Andererseits können bestimmte visuelle oder akustische Reize bei solchen Kindern extreme Reaktionen, zum Beispiel schrilles Schreien, auslösen: "Das hängt damit zusammen, dass Autisten eine andere Wahrnehmungsverarbeitung haben", sagte Noterdaeme. So könnten ihnen bestimmte Reize Angst machen, andere würden wieder als angenehm empfunden.

Kinder mit autistischen Störungen wirken in der Gruppe wie Einzelgänger. Sie verhalten sich aber auch auffällig, wenn sie allein spielen: Sie können mit Spielsachen oft nur wenig anfangen, sagte Noterdaeme. Zum Symbolspiel, bei dem sich ein Kind eine bestimmte Situation nur vorstellt, seien sie meistens nicht in der Lage. Hinzu kämen stereotype, bizarre Verhaltensweisen: Die Kinder wiederholten immerzu bestimmte Bewegungen, sie schaukelten etwa ständig mit dem Oberkörper, hüpften herum oder strichen mit den Fingern über Oberflächen. Später in der Schule hätten dann viele Autisten Probleme, "ich" und "du" voneinander zu unterscheiden.

Gründliche Untersuchung nötig

Wenn Eltern bei ihren Kindern solche Auffälligkeiten beobachten, sollten sie mit ihnen zu einem Experten gehen, riet Noterdaeme. Wenn nämlich tatsächlich eine autistische Störungen vorliege, sei es wichtig, früh mit der Therapie zu beginnen. Das auffällige Verhalten könne aber auch ganz andere Gründe haben, zum Beispiel sprachliche Schwierigkeiten oder Hörfehler.

Um die richtige Diagnose zu stellen, beobachten Psychiater die Kinder beim Spielen und lassen sie bestimmte Aufgaben lösen. Außerdem machen die Ärzte eine Hörtest und eine neurologische Untersuchung. Wenn sich der Verdacht erhärte, sei es zunächst wichtig, die Eltern aufzuklären, betonte Noterdaeme. "Die Eltern sind oft sehr verunsichert, weil ihre Kinder anders reagieren." Dann müsse möglichst früh die Therapie einsetzen, die darauf abziele, die Kinder für die Kommunikation zu öffnen. Durch Blickkontakte, Sprache und Spiele versuche der Therapeut, einen Bezug zum Kind herzustellen. Leider gibt es zu wenig Stellen, die Kinder gut fördern können, erläuterte die Ärztin.

"Autismus hat ein sehr breites Spektrum"

Der Erfolg der Therapie hängt vom Grad der Störung ab. "Autismus hat ein sehr breites Spektrum", erklärte die Expertin. Manche Betroffene seien intelligent, andere geistig behindert, manche könnten sprechen, andere nicht. Gemein sei ihnen nur, dass sie Schwierigkeiten bei sozialen Kontakten hätten. Experten schätzen, dass etwas zwei bis vier von 10.000 Kindern an autistischen Störungen leiden. Dabei sind Jungen drei Mal so häufig betroffen wie Mädchen. Die Ursachen der Krankheit sind noch unklar. Generell nimmt man aber an, dass genetische Faktoren eine wesentliche Rolle spielen.

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Angela Stoll, AP

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