Kampf gegen den Lärm: "Wellness pur im Ich-Universum"
Kampf gegen den Lärm"Wellness pur im Ich-Universum"
Lärm plagt drei Viertel der Menschen in Deutschland, macht krank und verursacht Kosten. Zum "Tag des Lärms" hat stern.de-Autorin Viola Keeve ihre Waffe gegen die dumpfen Dezibel beschrieben: Ohrenstöpsel.
Ohrenstöpsel sind das neue Glück, der poppige Plopp für alle Flieger, Motorradfahrer, Musiker, Pendler oder Einschlaf-Mimosen. Jetzt gibt es grelle Schaum-Stopfen – sogar mit Air Condition. Plötzlich heißen sie <A HREF="http://www.macksearplugs.com/product6.htm">"Spark plugs" </A>und haben alles Verknibbelte, Heimliche verloren. Ohrenstöpsel, das waren früher Akustikstopper für die Übervorsichtigen, die Uncoolen. Früher trug kaum jemand offen dottergelbe Ohrverschlüsse. Eher drückten sich viele auf Konzerten auf der Toilette verstohlen Watte oder nasses Papier in die Gehörgänge, Verzweifelte in Großraumbüros mitunter auch schon mal Gummibärchen, um dem Geschwätz der andern zu entkommen. Denn das Ohr schläft nie, an Krach gewöhnt man sich nicht, das kann man nicht trainieren. Und egal, wie viel Dezibel es sind, laut sind immer die anderen: die Werbung im Radio, tropfende Wasserhähne, Heere gurrender Tauben, schnarchende Gäste, die Bauarbeiter vor der Tür mit Asbestfräsen, Dampframmen.
Was ist Lärm?
Als Lärm gilt allgemein jedes als störend empfundene, laute Geräusch. Hörschäden durch Lärm können ab 85 Dezibel auftreten. Die Deutschen fühlen sich nach Umfragen am stärksten durch Straßenverkehrslärm gestört, gefolgt von Fluglärm. Nach früheren Angaben des Umweltbundesamtes hat jeder sechste Deutsche durch Verkehrslärm ein leicht erhöhtes Risiko für Herz- Kreislauferkrankungen.
Schwerhörigkeit gilt als häufigste Berufskrankheit. Der Lärm eines Presslufthammers kann 105 Dezibel, Discothekenmusik 110 Dezibel erreichen. Durch die verstärkte Lärmbekämpfung ging der Anteil der Lärmgeplagten in Deutschland in den 90er Jahren allerdings zurück.
Lärmstärke wird in der Regel mit Hilfe des Schalldruckpegels in Dezibel gemessen. Das Ticken eines Weckers oder Brummen eines Kühlschranks kann mit 30 Dezibel bereits zu Schlafstörungen führen. In der Nähe einer Autobahn treten 80 Dezibel auf. Ab 115 Dezibel wird Lärm als schmerzhaft empfunden, bei 120 Dezibel können bereits nach kurzer Einwirkung Hörschäden auftreten.
Auch im Schlund kommt ganz schön was in Gang <P>Lärmstopper sind offenbar <A HREF="http://www.macksearplugs.com/product6.htm">en vogue</A>. <A HREF="http://wwww.ohropax.de/">Rosa Wachs</A> ist plötzlich "Wellness pur im Ich-Universum", schreibt Birgit Weidt im Handelsblatt am Wochenende. Selbst Profi-Tennisspieler wollten beim Training nicht auf Ohrstöpsel verzichten, und Musiker wie Motörhead oder Iron Maiden, die um den Titel "lauteste Band der Welt" spielten, schafften das nur mit<A HREF="http://de.wikipedia.org/wiki/Ohrenstöpsel"> Lärm-Entschärfern</A>. Wer sich die Wachswatte allerdings schon einmal eingefriemelt hat, weiß: Auch das innere Universum ist kein Paradies der Stille: Glucksen, Schlucken, Atmen, auch im Schlund kommt ganz schön was in Gang. Still ist es nie.<BR><BR>Fast beruhigend, dass Lärm schon ganz andere in Verzweiflung gestürzt hat: Kant störte das Krähen eines Hahnes vor der Denkstube (er kaufte und aß ihn), Schopenhauer fand, dass das Knallen einer Reiterpeitsche in Städten polizeilich verboten werden sollte, Lessing gründete 1908 einen Anti-Lärmverein und schrieb das Pamphlet "Das Recht auf Stille", und Kafka zog in Prag 1915 einige Male um, um ein stilles Zimmer zu finden und schrieb: "So viel Ruhe wie ich brauche, gibt es nicht oberhalb des Erdbodens." Erst im Lärm der Städte erfand Maximilian Negwer 1907 das <A HREF="http://www.ohropax.de/17-0-die-anfaenge.html">rosa Wachskügelchen</A> mit leichtem Fenchelduft (Ohropax). Vorher war Ohrschutz aus Holz, Metall oder Hartgummi schon ein ziemlich schmerzhafter Preis für ein bisschen Denker-Frieden. Heute gibt es Spezialpfropfen für fast jeden: "Ohropax Klima-Wolle" gegen "Wind und Wetter", "Ohropax Multi" (zum Wiederverwerten) oder "Ohropax Color", poppige pilzartige Wesen <A HREF="http://www.sonicshop.de/De/Plugs/Express.asp">("Ear-Express")</A> oder Stöpsel mit Neonbügel <A HREF="http://www.sonicshop.de/De/Plugs/Jazz.asp">("Jazz")</A>, "<A HREF="http://www.sonicshop.de/De/Plugs/TravelFit.asp">Travel fit"</A> mit Air-Condition, den Knall-Defensor "<A HREF="http://www.sonicshop.de/De/Plugs/UniFit-II.asp">UniFitII"</A> (mit dem "Geheimnis zweier Lamellen") oder druckausgleichende Ohrstöpsel <A HREF="http://www.earplanes.de/PAGES/P00.html">("earplanes"</A>) für Globetrotter.
Bäusche bitte, bis Berlin! Zuerst sahen die Stöpsel ja ziemlich hausbacken aus, nach alten Wollknäulen, flusig-klebrig, da hießen sie auch noch "Bäuschelchen" oder "Geräuschschützer für Lärmnervöse gegen Maschinen-Motoren-Lärm auf Reisen über Land und Meer". Mit dem iPod trägt inzwischen fast jeder weiße Knibbel im Ohr. Überall hängt und summt es aus S- und U-Bahn-Ohren. Ob das nun Stille mit Stil ist? Auf jeden Fall verkaufen sie sich gut, die Iso-Stöpsel mit Musik, die den eigenen inneren Sound ganz passabel übertönen. Wer sich lieber vom PC berieseln lässt, kann sich auch Hörschutz als <A HREF="http://www.ohropax.de/19-0-nostalgie-anzeigen.html">Chill-out-MP3 </A>(Under Water für Naturfreunde, Halleluja für spirituell Aufgeschlossene) herunterladen. Die wahren Helden es Alltags sind natürlich die, die Gegenüber im vollen Freitags-Pendler-Zug in die Hauptstadt hemmungslos mit jedem Bewerbungsgesprächdetails quälen oder mit säuselnder, jovialer Penetranz totreden ("Ich arbeite als Tierpflegerin in der Schweinemast, bei Flensburg, 60 Säue. Da muss man Kraft in den Armen haben. Die zu wuchten, wenn die krank sind..."). Dann gibt es nur noch Stoßgebete: Bäusche bitte, bis Berlin!