Doch es ist keine Zukunftsmusik mehr. Im Berliner Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik greift eine intelligente Maschine Patienten nach einem schweren Schlaganfall unter die Arme und kann mit ihnen sogar Treppensteigen üben. Der "Haptic Walker" ist eine marktreife Entwicklung von Ärzten der Universitätsklinik Charité, Ingenieuren der Technischen Universität und Fraunhofer-Experten. Der Roboter wird nun auf dem ersten europäischen Symposium für technische Hilfen in der Rehabilitation an diesem Donnerstag und Freitag (25./26.1.) in Berlin präsentiert.
Rehabilitation nach Schlaganfall ist kraftzehrend für die Pfleger
Jedes Jahr erleiden nach Angaben der Charité 200.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Folgen dieser plötzlichen Durchblutungsstörung im Gehirn sind häufig halbseitige Lähmungen, die Ärzte, Therapeuten und Angehörige vor eine Vielzahl von Problemen stellen: Noch drei Monate nach einem Hirnschlag ist ein Drittel der überlebenden Schlaganfallpatienten auf einen Rollstuhl angewiesen, 70 Prozent haben Probleme mit dem Laufen. Oft müssen sie sich auf einen Stock stützen und können nur sehr langsam kurze Strecken bewältigen.
Die Physiotherapie nach einem Schlaganfall ist buchstäblich eine schwer wiegende Angelegenheit. Ärzte und Therapeuten müssen Patienten beim Geh-Training auf einem Laufband, im Klinikflur oder im Treppenhaus mit ganzer Kraft stützen. Mehr als 50 Schritte, sagt Charité-Spezialist Stefan Hesse, seien bei dieser Methode nicht drin. Beim "Haptic Walker" übernimmt der Roboter die kräftezehrende Aufgabe des Stützens und Führens. Mit ihm können Patienten auch 1000 Schritte üben und ganz langsam und behutsam verlorene Bewegungsmuster neu lernen - ohne wirklich von der Stelle zu kommen.
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Verlorene Bewegungsmuster werden wieder gelernt
Noch ist der "Haptic Walker" ein Prototyp in der gläsernen Versuchshalle des Fraunhofer-Instituts. Doch die Wissenschaftler sind optimistisch, dass sich Investoren finden und das rund eine Tonne wiegende, zimmergroße Gerät bald in deutschen Reha-Kliniken stehen kann. Technisch gesehen liegt die Maschine an einer Schnittstelle zwischen Robotik, Produktions- und Medizintechnik. Der Patient hängt an einer Art Fallschirmgurt in einem Stahlgestell. Seine Füße stehen auf schuhkartongroßen Platten, die - von starken Motoren und einer Spezialsoftware gesteuert - alltägliche Laufsituationen imitieren: das Gehen in der Ebene, Stolpern, Ausrutschen oder Treppensteigen. Fortgeschrittene können sogar die Bewegungen für das Radfahren oder für Skilanglauf einstellen lassen.
Durch die künstlichen Fußbewegungen werden die schlaffen Muskeln zwischen Zehen und Hüften zwangsläufig wieder aktiviert. Ziel sei es, die Bewegungen so natürlich wie möglich nachzuahmen, erläutert Hesse, Spezialist für Neurologische Rehabilitation. "Es gibt berechtigte Träume, das Gehirn anzuregen, ein verlorenes Bewegungsmuster auf diese Weise wieder zu lernen", sagt er. Es gebe weltweit verschiedene Technik-Ansätze, ein gelähmtes Bein wieder zu trainieren. Bei einer werden Patienten sogar in eine Art Ritterrüstung gesteckt, in der spezielle Reha-Technik dann die Muskeln anregt. "Treppen steigen simulieren kann aber nur unser Lauftrainer", betont Hesse.
Zwei Jahre Tüftelei für die Hardware
TU-Ingenieur Jörg Krüger hat früher Roboter für die Autoproduktion konstruiert. "Der Mensch ist aber viel komplizierter", betont er. Allein die Hardware des "Haptic Walkers" erforderte zwei Jahre Tüftelei - bis zum Not-Ausschaltknopf für Patienten. Für die Software setze Krüger mit einem Fraunhofer-Team menschliche Laufbewegungen in ein Computerprogramm um. Charité-Ärzte unterstützen die Techniker mit ihrer Erfahrung aus der Rehabiliation. "Es ist ein anderer Anreiz", betont Krüger. "Es geht um konkrete Hilfe für Menschen. Bei der Automontage ging es eher um den Wegfall von Arbeitsplätzen."
Auf dem Prototyp können in der Testphase auch Patienten nach einer Teil-Querschnittlähmung oder nach einem Schädel-Hirn-Trauma trainieren. In Serie gebaut würde der "Haptic Walker" rund 300.000 Euro kosten, mutmaßt Mediziner Hesse. Das Team aus Ingenieuren und Ärzten hat bereits die nächste Idee. Mit Hilfe einer Art Cyber-Brille und Filmaufnahmen aus der eigenen Wohnung könnte ein teilweise gelähmter Mensch in einer virtuellen Welt auf dem Laufroboter üben - und später zu Hause besser klarkommen.