Wissenschaftler streiten darüber, wer die Eltern Tutanchamuns waren. 3300 Jahre nach seinem Tod soll jetzt ein Gen-Test Gewissheit bringen. Die Ergebnisse werden Mittwoch veröffentlicht. Einige Gelehrte bezweifeln allerdings jetzt schon, ob der Streit damit beigelegt werden kann.
Historisch gesehen gibt es bedeutendere Pharaos als Tutanchamun. Der Kinderpharao gelangte zur großer Berühmtheit, als Howard Carter 1922 sein Grab im Tal der Könige voller Möbel und anderer Schätze entdeckte. Auch die berühmte goldene Totenmaske wurde dort gefunden. Es war das bislang einzige Grab, das Räuber noch nicht geplündert hatten.
Noch 2001 hatte Ägypten das Angebot japanischer Forscher abgelehnt, einen "Vaterschaftstest" mit Gen-Proben von Tutanchamun zu machen. Dabei ging es wohl um das nationale Prestige. Inzwischen gibt es ein mit Spenden finanziertes Gen-Labor im Museum von Kairo. Dessen Analysen würden am Mittwoch endlich "die Familiengeheimnisse" von Tutanchamun lüften, verspricht der Chef der ägyptischen Altertumsverwaltung, Zahi Hawass. Im Jahr 2008 hatten die ägyptischen Behörden Gewebeproben der Mumie entnommen und diese jetzt untersucht.
Zweifel am Vergleichsmaterial
Auch wenn der einbalsamierte Körper von Tutanchamun relativ gut erhalten ist, zweifeln einige Spezialisten daran, ob der Test zum Erfolg führen kann. "Das Hauptproblem besteht darin, eine verlässliche DNA für so alte Überreste zu bekommen", sagt Michel Wuttmann vom französischen Archäologie-Forschungsinstitut IFAO in Kairo. Denn der Pharao wurde nach seinem Tod wahrscheinlich über Monate durch dutzende Menschen einbalsamiert, die ihre eigenen Genspuren hinterlassen haben könnten.
Ein anderes Hindernis ist, dass Vergleiche mit dem Genmaterial mutmaßlicher Väter und Mütter von Tutanchamun mit Zweifeln behaftet sind. Es gebe "Unsicherheit zur Identität einer gewissen Zahl von Mumien", sagt der französische Forscher Marc Gabolde von der Universität von Montpellier. In dem berühmten Grab KV 55 wurde zwar eine Mumie mit einem länglichen Kopf gefunden, bei der es sich um die sterblichen Überreste des Echnaton handeln könnte, doch sicher sind sich die Forscher nicht. Wuttmann zufolge wurde das Erbgut vieler Mumien auch durch die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen stark beschädigt.
DNA-Tests bei Mumien umstritten
Auch der Vorgänger von Zahi Hawass, Abdel Halim Nureddin, zweifelt an der Aussagekraft des "Vaterschaftstests". Er könne nicht sagen, "ob die DNA-Tests wirkliche Ergebnisse bei Mumien von mehr als 3500 Jahren Alter bringen können", sagt der Archäologie-Professor an der Universität von Kairo. "DNA-Tests reichen in der Archäologie nicht aus. Andere archäologische Beweise sind notwendig, die es uns mit Sicherheit ermöglichen, den Stammbaum von Tutanchamun zu erstellen."
Der US-Archäologe Raymond Johnson, der in Luxor arbeitet, erwartet dagegen "ungeduldig" das Ergebnis der Untersuchung. Er sagt: "In anderen Fällen haben sich diese Analysen als sehr nützlich erwiesen, um genetische Beziehungen aufzuzeigen". Das in Alkohol aufbewahrte Herz des französischen Thronfolgers Ludwig XVII. konnte so zum Beispiel eindeutig identifiziert werden. Auch bei der Familie des russischen Zaren Nikolaus II., die während Oktoberrevolution getötet wurde, brachte die Erbgut-Analyse Gewissheit.
Zweideutige Inschrift
Dass als Vater von Tutanchamun bisher sowohl Echnaton als auch auch Amenhotep III. in Frage kommen, liegt an einer zweideutigen Inschrift, die nach Ansicht einiger Experten beide Schlussfolgerungen zuließe. Zahi Hawass selbst hat bislang die These vertreten, dass "King Tut", wie er ihn liebevoll nennt, sehr wohl ein Sohn des Echnaton ist. Diesen Umstand habe er aber wegen der Kritik der Priester an der religiösen Revolution seines Vaters in den Inschriften nicht so in den Vordergrund stellen wollen.
Die Frage nach den Eltern Tutanchamuns ist unter anderem deswegen so schwer zu beantworten, weil die Zeit zwischen der Regentschaft Amenhoteps III. und dem Tod von Tutanchamun (um 1310 v. Chr.) eine Phase des Umbruchs war. Die Klärung der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Pharaonen ist schwierig.
Unruhige Zeiten
Erst begründete Amenhotep IV. eine neue monotheistische Religion, ließ die neue Residenzstadt Amarna errichten und änderte seinen Namen in Echnaton. Nur noch der Sonnengott Aton durfte verehrt werden. Nach dem Tod Echnatons regierte für kurze Zeit Semenchkare. Er leitete eine Abkehr von dessen Glaubensprinzipien ein. Dann wurde ein etwa acht Jahre alter Junge namens Tutanchaton ("lebendiges Abbild des Aton") als neuer Herrscher ausgerufen, der möglicherweise ein Halbbruder vom Semenchkare war. Berater führten die Amtsgeschäfte für den Kinderpharao. Unter ihm wurde vieles rückgängig gemacht, was einst Echnaton durchgesetzt hatte. Der junge Pharao änderte seinen Namen in Tutanchamun und die alten Götter gelangten zu neuen Ehren.
Nicht nur die Frage nach dem Vater, auch die nach der Mutter des Pharaos ist unklar. Lange Zeit beschäftigten sich Archäologen mit einem Relief, das wohl die Geburt Tutanchamuns und den Tod seiner Mutter danach zeigt. Wissenschaftler vermuten, dass Echnatons Nebenfrau Kija die Mutter ist. Königin Nofretete scheidet nach Ansicht der meisten Forscher aus. Sie könnte aber nicht nur die Frau seines Vaters, sondern auch seine Schwiegermutter sein. Denn verheiratet wurde der junge Pharao wahrscheinlich mit einer seiner Halbschwestern, Nofretetes Tochter Anchesenpaaton. Diese könnte auch die Mutter der beiden tot geborenen Frühchen sein, die in Tutanchamuns Grab gefunden worden waren. Auch aus den sterblichen Überresten der beiden zu früh geborenen Mädchen hatten die Forscher Gewebe für ihre DNS-Untersuchung entnommen.