Ob Mann, ob Frau, Alex ist rasend eifersüchtig auf alle, denen Stefanie Aufmerksamkeit widmet, in harmlosesten Situationen wie auf Partys oder bei zufälligen Treffen. Dann wird Alex muffelig nach allen Seiten, die Situation wird ungemütlich und endet meist im Streit.
Alex weiß, dass es keinen Anlass für die bohrende Eifersucht gibt, und trotzdem bereiten Stefanies Gesprächspartner ihm Stress. "Grundlose" Eifersucht ist keineswegs harmlos, nur weil sie rational nicht fassbar ist. Im Gegenteil. Sie reflektiert die eigene Befindlichkeit und ist eine wichtige Emotion, die mit Vernunft nicht in den Griff zu bekommen ist. Sie ist ein Warnzeichen, das man beachten sollte, möchte man eine Partnerschaft erhalten. In Alex' Fall ist die Eifersucht Ausdruck seines Konfliktes, der ihn andere Bezugspersonen als potenzielle Bedrohung erleben lässt. Seine eigene Unsicherheit ist das Problem, nicht das Verhalten der Partnerin: die Angst, die Freundin könnte sich gänzlich von ihm abwenden, wenn sie mit anderen spricht; die Angst, als Partner nicht zu genügen.
Dahinter liegt eine Verlustangst, die in ihrem Ursprung auf kindliche Erlebensmuster zurückgeht und dort ihre Berechtigung hat. In der Entwicklung zum Erwachsenen aber muss ein Reifeprozess stattfinden, der es ermöglicht, auch partnerunabhängig - in und mit sich selbst - sicher zu sein. Das heißt, sich eigenständig wohlzufühlen, ohne dass der Partner ständige Rückversicherung und "Anerkennung" erbringen muss, so wie das Eltern mit Kindern tun. Es ist ein bequemes, aber infantiles Verhaltensmuster, den Partner für das eigene Glück verantwortlich zu machen und ihm damit die Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zuzuschieben. Nur wenn er/sie sich "richtig" verhält, geht es mir gut - eine fatale Dynamik, die eine Paarbeziehung praktisch unmöglich macht, weil sie dem anderen keinen Raum lässt, sich so zu geben, wie er ist. Die wichtigste Voraussetzung zur Lösung ist deshalb das Anerkennen des eigenen Problems. So kann man ihm begegnen, anstatt den Fokus immer wieder auf den Partner zu richten - und damit weg von sich selbst.
Es braucht die Entschlossenheit, sich seine individuelle Rolle in einer Beziehung bewusst zu machen, mit eigenen Ansprüchen und Vorstellungen, und sich dabei Fragen zu stellen wie:
> Wo fühle ich mich unsicher in der Partnerschaft? In welcher Situation habe ich das zuletzt gespürt?
> Wo könnte ich den Partner einbeziehen, was betrifft mich allein?
> Was tut mir gut im Finden meiner Balance, was verschafft mir Anerkennung, in und außerhalb der Partnerschaft?
In Alex' Fall ist die aktive Entspannung der momentanen Situation das erste Ziel sowie die Stabilisierung seines Selbstbewusstseins. Fühlt man sich ohnehin schon verletzbar, ist angestrengtes Diskutieren mit dem Partner nicht sinnvoll.
Konkrete Schritte dazu:
> Sich Raum zum "Durchatmen" schaffen: bekannte Konfliktsituationen vorerst meiden, das heißt Unternehmungen als Paar mit gemeinsamen Bekannten reduzieren.
> Eigene Stärken ins Blickfeld rücken: sich vergegenwärtigen, was Anerkennung verschafft hat - ein gelungenes Arbeitsprojekt, eine Diskussion mit einem Freund, der Wohnungsumbau, der schwere Kindergartenstart der Tochter.
> Interessen ausbauen/wiederbeleben: wieder mehr Zeit in Eigenes investieren - Sport, Freunde.
> Andere Perspektiven schaffen: sich bewusster in anderen Beziehungen und damit Rollen wahrnehmen - man ist nie "nur" Partner, sondern auch Bruder/Schwester, Vater/Mutter, Freund/Freundin.
Über die Autorin
Dr. med. Jana Richter, 34, ist Ärztin für Psychotherapie und Psychiatrie und arbeitet in der Privatklinik Wyss AG in Bern.
Sobald man sich wohler und stabiler fühlt, wird es möglich, sich wieder unabhängiger in der Paarbeziehung zu bewegen. Findet man auf diese Weise jedoch keinen Ausweg aus dem erkannten Dilemma und beobachtet das chronische Misstrauen immer wieder an sich, sollte eine Einzelberatung bei einem Psychotherapeuten oder bei Hilfsstellen für Paare erwogen werden. Hausärzte können mit Adressen behilflich sein. Liebe ist das Kind der Freiheit - ein altfranzösisches Sprichwort von großer Weisheit. Es erinnert daran, dass Partnerschaft freiwillige Begegnung und keiner des anderen Besitz ist - und man darin eigene Verantwortung trägt.