Rhythmisch bewegt sich Vince LiCata mit seinen Mitarbeitern zur Geigenmusik durch den Raum. Alle tragen rote T-Shirts, Schutzbrillen und Latexhandschuhe und werfen sich weiße Bälle zu. Plötzlich werden sie von schwarz gekleideten Gestalten mit Styroporkugeln berieselt und fotografiert. Was die Tänzer mit ihrer Darbietung vermitteln wollen, ist eine wissenschaftliche Methode, das sogenannte "low temperature isoelectric focusing". Sie ist Bestandteil von LiCatas Doktorarbeit mit dem schwer verdaulichen Titel "Resolving Pathways of Functional Coupling in Human Hemoglobin Using Quantitative Low Temperature Isoelectric Focusing of Asymmetric Mutant Hybrids" und ist sein Beitrag für einen internationalen Tanzwettbewerb.
Bei "Dance your Ph.D" steht neben der tänzerischen Leistung vor allem die Vermittlung der Kernaussage der Doktorarbeit im Vordergrund. In LiCatas Fall handelt es sich, einfach ausgedrückt, um die Untersuchung von Hämoglobin im menschlichen Blut, wobei die Forscher in den roten T-Shirts Hämoglobin und die weißen Bälle Sauerstoff darstellen sollen. Die schwarz gekleideten Personen sind ein Sinnbild für den Einsatz der Untersuchungsmethode. LiCata konnte die fachkundige Jury aus Wissenschaftlern und Choreografen mit seiner Darbietung überzeugen und belegt den ersten Platz in der Kategorie "Professor".
Ein anderer siegreicher Beitrag kommt von der deutschen Wissenschaftlerin Miriam Sach in der Kategorie "Post-Doc". "Es war mir wichtig, die Hauptaussage der Doktorarbeit, nämlich die gemeinsame Verarbeitung von regelmäßigen und unregelmäßigen Verben in einem neuronalen Netzwerk, zu vermitteln", erläutert die Forscherin. Außerdem wurden Preise in zwei weiteren Kategorien ausgelobt. Einer ging an den besten "Graduate Student", also Doktoranden, und mit einem wurde jene Darbietung gewürdigt, die bei den Benutzern der Internet-Plattform YouTube am beliebtesten war.
Aus einer Bierlaune heraus entstand der anspruchsvolle Wettstreit
Der amerikanische Wissenschaftsjournalist John Bohannon hat den Wettbewerb ins Leben gerufen. Auf einer Feier eines Forschungsinstitutes in Wien stellte er sich die Frage, ob Wissenschaftler eigentlich tanzen können. Mitmachen konnte jeder, der einen Doktortitel hat, oder daran arbeitet. Im ersten Jahr gab es nur zwölf Beiträge, in diesem Jahr schon ganze 36. Eingesandt wurden amüsante und vor allem lehrreiche Videos aus verschiedenen Gebieten der Biologie, Quantenphysik, Astronomie, Anthropologie und Archäologie.
Faszinierend an den Beiträgen der Wettbewerbsteilnehmer ist, dass die Forscher es tatsächlich schaffen, ihre extrem komplizierten Themen auf einfache Weise ohne Hilfe von Erklärungen dem Laien verständlich zu machen. Es ist Bedingung, dass sie nicht sprechen, sondern ausschließlich tanzen. So wird dem Zuschauer ein ganz neuer Zugang zu hochwissenschaftlichen Inhalten gewährt. Auch an Schulen könnte dieses Konzept erfolgreich zur Wissensvermittlung beitragen. "Tanz weckt sicherlich bei Schülern schnell Interesse für die zu vermittelnde Materie. Durch Tanz können auch recht komplexe Inhalte vereinfacht anschaulich gemacht werden", meint die deutsche Siegerin Miriam Sach. Dass die Tänzer begeistern, zeigt sich auch in der Anzahl der Aufrufe der Videos im Internet. Mit über 30.000 Klicks auf seinen Beitrag hat beispielsweise Vince LiCata, der Professor an der Louisiana State Universität ist, bereits einem großen Publikum die Mechanismen der Sauerstoffübertragung im Blut näher gebracht.
Die Siegervideos werden professionell inszeniert
Die Gewinner des Wettbewerbes erhielten für ihre Leistungen eine Einladung als Ehrengäste zur Jahreshauptversammlung der "American Association for the Advancement of Science", einem der der wichtigsten Wissenschaftskongresse. Außerdem bekommen alle Sieger nun die Möglichkeit, mit einem professionellen Choreografen und Tänzern eine ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichungen tänzerisch interpretieren und in einem großen Theater aufführen zu lassen. Denn der Gedanke an eine Welttournee ist auch schon aufgekommen.
Die Tanzvideos aller Teilnehmer finden sie auf der Internetseite "The Gonzo Labs".